piwik no script img

Baugemeinschaften in der Berliner InnenstadtGruppenweise unter ein Dach

Baugruppen schaffen individuelle Wohnungen. Interessenten benötigen Mitstreiter, Grundkapital und viel Ausdauer. Zwölf Tipps für den Weg ins gemeinsame Haus.

Die eigenen vier Wände sind in der Mieterstadt Berlin die Ausnahme. Das liegt nicht nur am mangelnden Geld der Bewohner. Denn wer viel Geld ins eigene Heim investiert, will auch bei der Gestaltung mitreden. Das geht meist nur bei einem Eigenheim am Stadtrand. In der City bleibt in der Regel nur der Kauf einer Wohnung, die ein Investor geplant hat - es sei denn, man beteiligt sich an einer Baugruppe. Die werden künftig vom Land Berlin unterstützt, mit Beratungsangeboten und einer erleichterten Vergabe landeseigener Grundstücke (siehe Kasten).

Fünf Grundstücke zum Testen

Kaum hat der Senat eine kleine Revolution in der Wohnungspolitik verkündet, schon wird es für potenzielle Nutznießer eng. Denn die am Dienstag beschlossen Grundstücksvergabe an Baugruppen (taz berichtete) ist zunächst auf fünf Areale beschränkt. Um die können sich bauwillige Gemeinschaften ab sofort beim Liegenschaftsfonds bewerben, sagte die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Manuela Damianakis.

Mit der Förderung will der Senat eine Aufwertung der Innenstadt erreichen. Baugruppen seien die Wohnform der Zukunft und sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll, so Damianakis. Das Baugruppen-Konzept könne zudem dazu beitragen, Familien in der Stadt zu halten. Davon profitiere letztlich das ganze Quartier.

Deshalb soll der Liegenschaftsfonds, der alle vom Land nicht mehr benötigte Grundstücke vermarktet, künftig geeignete Areale für Baugemeinschaften reservieren. Die können das Bauland zum Verkehrswert erwerben. "Die inhaltlichen Qualitäten eines Projekts sollen den Ausschlag darüber geben, wer ein Grundstück erwirbt", sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD).

In einer Testphase sollen fünf Grundstücke für Baugruppen bereitgestellt werden. Drei davon befinden sich in Mitte - in der Ackerstraße, der Borsigstraße sowie am Engeldamm. Ein weiteres liegt in der Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg. Das sei nur der Anfang, so Damianakis. Die Bezirke seien aufgefordert worden, weitere Grundstücke zur Verfügung zu stellen.

Unterdessen wird auch Kritik an der Förderung von Baugruppen laut. Die richte sich vornehmlich an eigentumsorientierte Gruppen, bemängelt der Architekt Mathias Heyden, der ein Buch über Wohnprojekte in Berlin geschrieben hat. "Was aber ist mit Mietern, die kein Grundstück kaufen können?", fragt Heyden. Zwar habe der Senat auch Genossenschaften den Zugriff auf die Grundstücke ermöglicht. In erster Linie aber werde ein neuer Mittelstand gefördert, sagt Heyden. Das trage zur Gentrifizierung bei.

Was ist eine Baugruppe? Menschen schließen sich zusammen, um gemeinsam ein Haus selbst nach ihren Vorstellungen zu planen und zu bauen. Alles andere ist Verhandlungssache.

Wo finde ich Mitstreiter? In der Regel finden sich die Bauherren im Bekanntenkreis, sagt der Architekt Ulrich Schop, der selbst eine Baugruppe initiiert hat. Über persönliche Netzwerke kämen weitere hinzu. "Da hat man gleich den Bezug, das ist ein erfolgsversprechendes Modell."

Kann jeder so eine Gruppe gründen? Im Prinzip ja. Doch nicht jeder ist der Typ dafür, sagt der Architekt Winfried Härtel, der verschiedene Baugruppen betreut. Er rät, sich bestehenden Initiativen anzuschließen.

Und wo finde ich solche Projekte? Manche suchen Mitstreiter per Aushang im Bioladen um die Ecke. Den besten Überblick bekommt man jedoch im Internet. Auf den Seiten wohnprojekte-berlin.info und wohnportal-berlin.de sind zahlreiche Baugemeinschaften aufgelistet. Hier finden sich sowohl Initiativen für kommende Projekte, denen man sich noch anschließen kann, als auch bereits fertig gestellte Häuser. Deren Bewohner kann man auch um Rat fragen.

Wodurch unterscheiden sich die einzelnen Gruppen? Es gibt Gruppen, die wollen nur in einer netten Nachbarschaft wohnen. Bei anderen steht der soziale Aspekt im Vordergrund - etwa eine Mischung junger und alter Menschen im Haus. Andere planen in erster Linie ökologische Niedrigenergiehäuser. Die ambitioniertesten wollen schlichtweg alles: eine altersgemischte, nette Nachbarschaft in einem Ökohaus mit flexiblen Grundrissen.

Wie groß sind die Baugruppen? Im Schnitt schließen sich 10 bis 15 Parteien zusammen. So entsteht eine überschaubare Nachbarschaft. Theoretisch müssten es lediglich zwei Parteien sein, auch nach oben gibt es kein Limit. Allerdings sollten auch alle Platz im Haus finden.

Ist das nicht unheimlich anstrengend? Das kann schon sein. Aber erst die ständige Auseinandersetzung über das Projekt führt zu ungewöhnlichen Lösungen. Eigenbrötler sollten sich jedoch eher für eine Einliegerwohnung entscheiden.

Wie sind Baugruppen rechtlich organisiert? Viele gründen zunächst einmal einen Verein. Die endgültige Rechtsform hängt vom Charakter der Gruppe ab. Eigentumsorientierte Gemeinschaften gründen meist eine schlichte GbR. Bei Genossenschaften steht der soziale Aspekt im Vordergrund. Die Übergänge allerdings sind fließend. Wichtig ist bei allen Rechtsformen vor allem die klare Regelung einer Ausstiegsklausel, das vermeidet Ärger.

Wo finde ich ein passendes Grundstück? Kurz gesagt: auf dem freien Markt. Das fällt den Gruppen häufig schwer, da sie sich erst mal auf ein Grundstück einigen und die gemeinsame Finanzierung aufbringen müssen. Damit sie dafür mehr Zeit haben, sollen landeseigene Grundstücke künftig für eine angemessene Frist reserviert werden, bevor der Kaufpreis fällig wird.

Was kostet der Spaß? Mit 2.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche muss man schon rechnen, je nach Ausstattung und Wohngegend variieren die Preise zwischen 1.000 und über 3.000 Euro. "Man bekommt aber zu einem geringeren Preis mehr an Qualität als bei einem klassischen Wohnungskauf", sagt der Architekt Härtel. Oft ließen sich Dinge realisieren, die es auf dem normalen Markt nicht gibt. Dazu gehören auch unterschiedliche Preise pro Etage. Das gab es zum Beispiel in Ulrich Schops Baugruppe, um den finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Bauherren gerecht zu werden.

Können wir jetzt endlich loslegen? Wenn sich eine Gruppe auf ein Grundstück und - fast noch wichtiger - eine das Projekt tragende Idee geeinigt hat, steht dem Start nichts mehr im Wege.

Wann kann ich einziehen? Das kann dauern. Von der ersten Idee bis zum Möbelpacken vergehen oft mehrere Jahre.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!