piwik no script img

Bauers gentechnikfreier JoghurtMissverständnisse aus dem Kühlregal

Ein konventioneller Joghurt soll der erste gentechnikfreie Joghurt sein – so verspricht es die Werbung. Bioproduzenten und Verbraucherschützer finden das irreführend.

Grundsätzlich handele es sich um den ersten Fruchtjoghurt, der zertifiziert nach den Kriterien des Siegels „Ohne Gentechnik“ hergestellt werde, teile Bauer mit. Bild: screenshot: www.bauer-milch.de

BERLIN taz | Die Werbung klingt nach Revolution: „Der erste gentechnikfreie Fruchtjoghurt Deutschlands“, heißt es in Anzeigen der Molkerei Bauer. Man garantiere, dass in der gesamten Produktionskette auf Gentechnik verzichtet werde, führt das Unternehmen auf der dazugehörigen Werbeseite aus.

Bei Bioproduzenten stoßen diese Aussagen auf Missfallen: „Die Ökomolkereien verzichten schon immer auf Gentechnik, daher ist es nicht der erste gentechnikfreie Joghurt Deutschlands“, sagt Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).

Auch wenn grundsätzlich zu begrüßen sei, dass immer mehr Hersteller den Verbrauchern explizit gentechnikfreie Produkte anbieten – eine solche Werbung sorge beim Verbraucher für Irritationen, kritisiert Röhrig. Der Verband befinde sich in Gesprächen mit Bauer, so Röhrig; er zeigte sich optimistisch, dass sich an dem Werbespruch noch etwas ändern werde.

Verbraucherschützer sehen die Werbung ebenfalls kritisch. „Für den Verbraucher ist es verwirrend“, sagt Clara Meynen, Ernährungsreferentin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Zwar gebe es kleine Unterschiede zwischen den Anforderungen an die Bioproduktion und an die ohne Gentechnik.

Dokumentationspflichten in der Produktionskette

So seien beispielsweise die Dokumentationspflichten in der Produktionskette ohne Gentechnik etwas detaillierter. Man dürfe aber nicht davon ausgehen, dass den Verbrauchern das geläufig sei. Bauer will jedoch bei seiner Aussage bleiben. Man werde zwar die Formulierung „gentechnikfrei“ noch in „ohne Gentechnik“ verändern, das sehe die entsprechende gesetzliche Regelung so vor, erklärt Unternehmenssprecher Wolfgang Robben.

Aber grundsätzlich sei es eben der erste Fruchtjoghurt, der zertifiziert nach den Kriterien des Siegels „Ohne Gentechnik“ hergestellt werde. Das Siegel wird seit knapp drei Jahren vergeben. Derzeit verwenden es gut hundert Unternehmen – die genaue Zahl der Produkte wird nicht erhoben.

Zum Vergleich: Das sechseckige Biosiegel, das eine Produktion nach der EG-Öko-Verordnung kennzeichnet, schafft es auf derzeit über 64.000 Produkte von über 4.000 Unternehmen. Für Gentechnikkritiker und Umweltschützer ist das Siegel „Ohne Gentechnik“ ohnehin nur die zweitbeste Lösung: Sie fordern, dass Produkte, die gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten, gekennzeichnet werden.

Am Markt nicht überlebensfähig

Es gilt als wahrscheinlich, dass solche Produkte nicht lange am Markt überleben würden: So nahm der Lebensmittelkonzern Nestlé Ende der 90er Jahre einen explizit mit gentechnisch verändertem Mais hergestellten Riegel nach nur einem halben Jahr wieder vom Markt – die Verbraucher wollten ihn nicht kaufen.

Absehbar ist eine entsprechende Gesetzesänderung auf EU-Ebene allerdings nicht. „Da sind ziemlich dicke Bretter zu bohren“, sagt Alexander Hissting, Sprecher des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik, der auch das Siegel vergibt. Die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer lehne eine solche Regelung derzeit ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • H
    HerrSausLB

    Warum hängen die nicht einfach das Wörtchen "zertifiziertW hinden drann? Damit wär es eindeutig.

    So ist es echt nur irreführend. Weill Bauer da auf Bauernfängerei gehen? Ich mein jeder Jogurt der vor ca. 20, 30 Jahren im Regal stand war doch Gentechnikfrei. Oder will Bauer da etwas anderes behaupten?

  • D
    Dhimitry

    Es dürfte wohl jedem klar sein, dass dieser Joguhrt nicht der erste ohne Gentechnik dürfte.

    Menschen die sich davon in die Irre führen lassen, denken wohl auch der 1.FC Nürnberg wäre der erste Fussballklub Deutschlands...

  • T
    Typograf

    Die Bauers, die können auf jeden Fall nicht Typografie :-)

  • WS
    Wolfgang Schmidt

    Die Firma Bauer soll sich mal ins K... f.....

    Immer wieder muss man sich als Verbraucher mit den Marketing-Tricks der gewinngeilen Konzerne rumschlagen, die meinen jede dicke Lippe riskieren zu können, weil ihnen eh niemand wirklich auf die Finger klopfen kann.

    Erst "green washing" jetzt "bio washing" und "genfrei washing".

    Wir Verbraucher können durch einfaches "NICHT KAUFEN" nicht nur auf die "Finger klopfen" sondern dem ganzen Konzern mit Anlauf in den A.... treten!

    Mitmachen und einfach keine Produkte mehr von Bauer kaufen!

  • EA
    Enzo Aduro

    Die Bioleute pantschen doch so sehr, die sollten den Ball flach halten.