Bauernpräsident Sonnleitner über Milchbauern: "Ich rede mit jedem"
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner fürchtet die Konkurrenz durch den Milchbauernverband nicht, ärgert sich über die Diffamierung seiner Person und will kein Verräter sein.
taz: Herr Sonnleitner, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) wollte, dass weniger Milch auf den Markt kommt und so die Preise für die Bauern steigen. Sie waren dagegen. Sind Sie ein Verräter, wie es der BDM darstellt?
Gerd Sonnleitner: Das ist eine üble Verleumdung. Auch die Milchbauern in Deutschland sind Teil des offenen Binnenmarktes von 27 Ländern. Und die Europäische Union hat nun mal beschlossen, die erlaubte Produktion in drei Jahren um 8 Prozent zu erhöhen. Der Vorschlag des BDM hätte die Menge europaweit nur um 0,2 Prozent reduziert. Das bringt überhaupt nichts. Wir müssen die notwendige Erhöhung des Milchpreises also auf anderen Wegen mit unseren Molkereien erreichen - zum Beispiel durch Fusionen, um unsere Position gegenüber dem Handel zu stärken.
Von den rund 100.000 Milchbauern sind 32.000 ausgeschert und dem BDM beigetreten. Ist das kein Problem für Sie?
Die scheren nicht aus. Wir haben im ganzen Jahr 2008 nur wenige hundert Austritte gehabt. Diese Zahl spricht für sich. Die große Mehrheit der Milchbauern möchte aus der Quote heraus, die die Produktionsmenge begrenzt. Eine Minderheit setzt weiter auf Mengenbeschränkung. Ich respektiere Mehrheitsbeschlüsse eines großen Bauerntages 2007 in Bamberg, die Spitze des BDM offenkundig nicht.
Sind Sie zu Gesprächen zum Beispiel mit dem BDM-Chef Romuald Schaber bereit?
Ich bin allen vernünftigen Menschen gegenüber gesprächsbereit.
Ist Herr Schaber ein vernünftiger Mensch?
Darauf gebe ich keine Antwort.
Warum haben Sie ein taz-Streitgespräch mit Herrn Schaber abgelehnt?
Eine politische Auseinandersetzung habe ich noch nie gescheut. Doch hier sind in den letzten Wochen deutliche Schläge unter der Gürtellinie ausgeteilt worden.
Meinen Sie damit auch Protestaktionen, bei denen 2.000 Leute mit Fackeln vor Ihrer Haustür standen?
In der Tat. Mit solchen Aktionen hat man die Tür zum Dialog sehr weit zugeworfen. Persönliche Diffamierungen, die auch die Familie treffen, sollten nicht zur politischen Kultur werden. Ich habe mich aber über eine ganz breite Solidarisierungswelle gegenüber meiner Person gefreut.
Sie haben dafür gekämpft, dass die EU Rationalisierung und größere technisch moderne Kuhställe finanziert. Sind das nicht Maßnahmen, die eher den großen Höfen dienen?
Ist für Sie ein Betrieb mit 40 Kühen ein großer? Wenn wir Investitionsmittel fordern, dann denken wir doch auch daran, die Anbindestallhaltung durch den tierfreundlicheren Boxenlaufstall zu ersetzen. Ist es schlecht, dafür Investitionsförderungsmittel zur Verfügung zu stellen?
Sie raten den deutschen Bauern, mehr zu exportieren. Zerstören die subventionierten Produkte aus Europa nicht die Agrarwirtschaft in Entwicklungsländern?
Wer so etwas behauptet, betreibt Desinformation. Die EU subventioniert Exporte mittlerweile nur in ganz geringen Mengen. Das gilt besonders für Ausfuhren in Entwicklungsländer. Die Exportsubventionen laufen im Jahr 2013 ganz aus, und das tragen wir mit. Außerdem stammen 75 Prozent der deutschen Importe aus Drittländern, aus den Entwicklungs- und Schwellenländern. Wir fördern also deren Landwirtschaft.
Aber die Bauern in der EU bekommen doch weiter andere Subventionen, allein 37 Milliarden Euro jährlich dafür, dass sie ihre Betriebe führen.
Wir haben in Deutschland fast Weltmarktpreise bei fast allen Agrarprodukten - und zugleich die höchsten Soziallasten oder Kosten generell für Anschaffungen oder Reparaturen etwa von Maschinen. Darum könnte ich ohne diese Ausgleichszahlungen einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht führen. Die weltweit höchsten Standards im Umwelt- und Naturschutz kommen hinzu. Das kann doch nicht angehen, dass wir für unsere Produkte die niedrigen Weltmarktpreise bekommen, und dann müssen wir vor Ort die hohen deutschen Kosten tragen.
Das ändert laut Entwicklungsorganisationen nichts daran, dass Ihre subventionierten Produkte Bauern aus dem Süden keine Chance lassen.
Europa hat seinen Markt für die ärmsten Entwicklungsländer völlig geöffnet. Wenn Staaten mit ihrer Landwirtschaft Probleme haben, dann hat das ganz andere Gründe. Nämlich, dass dort die Bauern kein Recht auf Eigentum haben, dass dort Korruption oder Krieg herrschen. Das führt dazu, dass in solchen Ländern die Landwirtschaft zu arm ist und Landflucht stattfindet und damit eben die Slums und die Versorgungsschwierigkeiten der Städte immer größer werden. Aber das hat nichts mit unserer Agrarpolitik zu tun.
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