Bauernpfiffe und Bauernschläue

■ Subventionskürzer Möllemann auf dem Bauerntag ausgepfiffen/ Findige Landwirte kassieren doppelt

Kassel (dpa/taz) — Der selbsternannte Subventionskiller und Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) hatte auf dem Kasseler Bauerntag einen schweren Stand. Die versammelten Landwirte pfiffen ihn bei der Schlußkundgebung einfach aus. Bayerische Bauern ließen riesige blaue und weiße Luftballons mit der Aufschrift „Möllemann — heiße Luft“ steigen. Möllemann hatte in seiner Rede angekündigt, es werde im Rahmen der geplanten Zehn-Milliarden-Subventionskürzungen „keine Erhöhung der Gas-Öl-Beihilfe“ für Landwirte geben. Ferner sollen Fördermittel von West- nach Ostdeutschland „umgeschichtet“ werden. Bauernminister Ignaz Kiechle (CSU) dagegen bekam freundlichen Beifall. Er bedankte sich prompt mit einem Angriff auf die jüngsten Preissenkungsvorschläge des EG-Kommissars McSharry. Diese „Kriegserklärung an Europas Bauern“, die vierzig Prozent Preissenkungen bringen soll, sei existenzgefährdend für die Landwirte. Kiechle verteidigte die Mengenbegrenzung für Agrarprodukte als das bessere Konzept. Er kündigte außerdem, mit Blick auf Möllemann, „härtesten Widerstand“ gegen die Kürzung von Sozialversicherungssubventionen für Landwirte an.

Doch Bauern, die mit beiden Beinen auf der Erde stehen, verlassen sich nicht auf die Sonntagsreden der Politiker. Sie greifen lieber schon vorher zur Selbsthilfe: Dazu, so fanden einige von ihnen heraus, eignet sich das Flächenstillegungsprogramm der EG ganz vorzüglich. Prämien zwischen 240 und 1.000 DM winken seit 1988 dem Bauern, der fünf Jahre lang seine Flächen nicht bewirtschaftet.

Einige Bauern kassieren nun doppelt. Sie pachten oder kaufen Flächen in den neuen Bundesländern von bankrotten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Weniger ertragreiche westdeutsche Felder werden stillgelegt. Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL), weiß von drei Fällen aus dem niedersächsischen Wendland, in denen Landwirte so zweimal Kasse machen: „Das sind keine Ausnahmen.“

Mit dem Lastwagen bringen die „Tieflader-Bauern“ Maschinen und Material in den Osten. Bevorzugt nach Sachsen-Anhalt, in die Magdeburger Börde. Sie sei wegen der hervorragenden Bodenqualität das „Sahnestück“ unter ostdeutschen Äckern, so Janßen. Manche bundesdeutsche Landwirte unterhielten drüben eine regelrechte Zweigstelle. Ihre Flächen werden laut Janßen von einem Verwalter oder festen Angestellten betreut. Der Chef aus dem Westen, per Funktelefon gerufen, „kommt ab und zu vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.“

Aktiv eingestiegen in die ostdeutsche Landwirtschaft sind auch die Niederländer. Wegen der hohen Umweltschutzauflagen in der Heimat hätten viele holländische Landwirte ihren Hof verkauft, um in der ehemaligen DDR eine neue Existenz aufzubauen, weiß Janßen. Wie früher in Holland werde dabei der Boden „mit Chemie vollgepumpt“, um die höchsten Erträge zu erzielen.

„Total absurd“ nennt Janßen diese Praxis. Der Sinn des Flächenstillegungsprogramms — weniger Überschüsse — werde ins Gegenteil verkehrt: Die Produktion bleibe hoch statt zu sinken. Als Ausweg aus dem Dilemma sieht der Experte der Agraropposition die Extensivierung und die Umstellung auf eine umweltverträgliche Produktion. Diese müsse von der Politik entsprechend gefördert werden. ten