■ Bau-Arbeitgeber sanieren sich auf Nürnbergs Kosten: Mal wieder zu teuer gespart
Wenn es nicht um 220.000 Arbeitslose ginge, wäre es fast ein Grund zur Schadenfreude. Als nach langem Ringen das Schlechtwettergeld für Bauarbeiter abgeschafft wurde, warnte die Gewerkschaft: „Das wird am Ende eine teure Sparaktion.“ Zwar könnten auf den ersten Blick bei der Bundesanstalt für Arbeit 700 Millionen Mark eingespart werden. Auf lange Sicht müsse Nürnberg dann aber jeden Winter ein Mehrfaches an Arbeitslosengeld für entlassene Bauarbeiter ausgeben. So war die Prognose der Gewerkschaft, und genauso ist es gekommen. Ein klassisches Beispiel dafür, daß undurchdachte Sparwut letztlich sogar kontraproduktiv im Sinne ihrer Urheber sein kann.
Und so kam der Schlamassel: Weil Bauarbeiter im tiefsten Winter schlecht arbeiten können, zahlte bis 1996 die Bundesanstalt für Arbeit 63 bis 68 Prozent des Nettolohnes für die ausgefallenen Stunden. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit braucht die Anstalt ihr Geld aber für die dauerhaft Arbeitslosen, und der Staat wollte seinen Zuschuß nicht erhöhen. Also wurde das Schlechtwettergeld einfach abgeschafft.
Nach langen Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und IG Bau wurde dann rechtzeitig vor Auslaufen des Schlechtwettergeldes ein Ersatzmodell gefunden. Danach sollten die Arbeitgeber die witterungsbedingt ausgefallenen Stunden mit 75 Prozent des Bruttolohnes bezahlen. Sie hatte nur einen Nachteil: Die Arbeitgeber fanden keinen Gefallen an ihr. Denn für die betroffenen Unternehmen war die vereinbarte Lohnfortzahlung fürs Nichtstun eine große Zusatzbelastung. Selbst die Gewerkschaft hat Verständnis dafür, daß Arbeitgeber ihre überflüssigen Leute deshalb im Winter einfach „befristet entlassen“. Natürlich verbietet der Tarifvertrag „witterungsbedingte“ Kündigungen. Aber glaubwürdige Begründungen für Entlassungen gibt es derzeit ja genug...
Nun also liegen die winterarbeitslosen Bauarbeiter Nürnberg doch wieder auf der Tasche. Und zwar gleich für mehrere Monate statt einzelner Tage. Und Sozialbeiträge werden in dieser Zeit auch keine mehr bezahlt. Kein Wunder, daß Nürnberg heute doppelt soviel zahlen muß wie früher. Was also wird diskutiert? Natürlich die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Eigentlich eine gute Idee. Christian Rath
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen