Press-Schlag: Basler goes West
■ Ein Fußballspieler greift zum Colt
Was sind nicht alles für Begriffe ins Spiel gebracht worden, um die angebliche innere und äußere Zerrissenheit des Fußballspielers Mario Basler möglichst prägnant zu benennen. Genie und Wahnsinn! Das unsterbliche Bernd-Stange-Wort von dem extremen Klassenunterschied zwischen Kopf und Füßen des Bremer Balltreters! Privat Schlafmütze, auf dem Spielfeld hellwach! Exzentriker! Spinner! Basler!
Alles Quatsch! Einem Interview mit der Illustrierten Bunte verdanken wir Aufschluß über die wahren Ursprünge des bislang so anarchisch anmutenden Baslerschen Treibens. Der Mann will zum Film. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht – sogar Fußballspielen.
„Daran habe ich schon immer gedacht, so in einem Western rumballern, der böse Bube zu sein“, verriet er sein innerstes Geheimnis. Wie Schuppen fällt es uns von den Augen, und die kruden Umtriebe des durchtriebenen Kickers fügen sich zum klaren Bild einer stringenten Strategie zusammen. Eine Art Lee van Cleef mit Tordrang möchte er werden, drum also raucht und säuft er, daß es sogar den Cruyff graust. Wie käme das rüber, wenn er mit der Nummer 7 auf dem Rücken in den Saloon schreitet und ein Glas Red Bull bestellt. Oder kurz vor dem Showdown lässig den Zigarillo in den Mundwinkel klemmt und prompt einen Hustenanfall bekommt.
Völlig klar, daß er von frühester Jugend an bevorzugt den scharfen Schuß übte, daß er unter freundlicher Mithilfe von Kameraleuten schon mal die Stunts für die unvermeidlichen Kneipenkeilereien probt, daß er das Weserstadion zum Set umfunktioniert und dem Bremer Publikum die ganze Palette seiner reichhaltigen Gestensprache demonstriert. Sogar das geheimnisvoll wissende Lächeln, das er neuerdings immer aufsetzt, erklärt sich wie von selbst. Kennen wir alles von Clint Eastwood.
An den Dialogen sollte er indes noch etwas feilen, auch wenn er sein pfälzisches Idiom völlig korrekt als einen Dialekt lobt, mit dem man „immerhin Bundeskanzler werden“ kann. Bundeskanzler vielleicht, aber ein brutaler Revolvermann, der klingt, als habe er gerade einen rohen Saumagen verschluckt? Nun ja.
Er war einsam, aber schneller: Lee van Basler Foto: Holger Nagel
Doch Mario Basler ist der letzte, der nicht weiß, daß er noch viel zu lernen hat. Darum will er ja auch nach Italien, wo, wie jeder weiß, die gemeinsten Western herkommen. Oder, besser gesagt, herkamen. Irgend jemand sollte dem aufstrebenden Lee- Marvin-Epigonen möglicherweise mitteilen, daß er an der falschen Adresse ist. Sergio Leone ist tot, und Western werden wieder dort gedreht, wo sie hingehören: in Hollywood. Aber auch das ist kein Problem. Im nächsten Jahr startet die US- amerikanische Profiliga und ein Platz für Basler im Team der Tombstone Colts dürfte allemal frei sein. Über das Kopfgeld wäre mit Werder-Manager Willi Lemke sicher schnelle Einigung zu erzielen. Matti Lieske
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