Baskische ETA löst sich endgültig auf: Entschuldigung für all das Leid
In einem Statement bittet die Separatistenorganisation ihre Opfer um Vergebung. Die Idee der baskischen Unabhängigkeit aber lebe weiter
Vor genau einem Jahr übergab ETA ihr Waffen- und Sprengstoffarsenal im Süden Frankreichs unter Aufsicht internationaler Beobachter den französischen Behörden. das Kommuniqué dürfte eines der letzten der Separatistengruppe sein. Denn laut Informationen des baskischen Fernsehens EiTB wird ETA am ersten Wochenende im Mai in französischen Teil des Baskenlandes ihre Auflösung bekanntgeben. „Mit Blick in die Zukunft ist die Aussöhnung die Aufgabe, vor der das Baskenland steht“, heißt es im jüngsten ETA-Kommuniqué.
Die Separatistenorganisation entstand vor fast genau 60 Jahren im Widerstand gegen die Diktatur unter General Francisco Franco. 1968 verübte die Gruppe ihren ersten tödlichen Anschlag gegen einen Beamten der spanischen paramilitärischen Guardia Civil. 2010 wurde ein französischer Gendarm das letzte Opfer der baskischen Untergrundorganisation.
Insgesamt hat ETA 2472 Anschläge verübt. Die spanische Regierung zählt dabei 829 Todesopfer. „Wir sind uns im klaren darüber, dass wir in dieser langen Phase des bewaffneten Kampfes viel Schmerz verursacht haben“, erklärt ETA.
Die Aussöhnung hat längst begonnen
Allerdings sieht sich die Gruppe nicht als allein verantwortlich für die harten Jahre, die das Baskenland durchlebt hat. „Der Schmerz herrschte lange bevor ETA geboren wurde, und besteht weiter nachdem ETA den bewaffneten Kampf aufgab“, heißt es. Als Beweis dafür dient die Bombardierung der baskischen Stadt Gernika 1937 im spanischen Bürgerkrieg durch die deutsche Legion Condor. Es gelte nun, „eine demokratische Lösung für den politischen Konflikt“, zu finden. So „könne der Frieden und die Freiheit für das Baskenland erreicht werden, um die Flammen von Gernika endgültig zu löschen.“
Die Aussöhnung, von der ETA im Kommuniqué spricht, hat längst begonnen. Seit dem endgültigen Waffenstillstand vor mehr als sechs Jahren zieht im Baskenland nach und nach Normalität ein, auch wenn die Politik in Madrid wenig dazu beiträgt.
„Das Kommuniqué ETAs ist die Konsequenz der Stärke des Rechtsstaats“, erklärte die Regierung des Konservativen spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy. Von einem Zugehen auf die baskischen Separatisten, etwa mit Verlegung der über 300 inhaftierten Etarras in heimatnahe Haftanstalten oder andere Hafterleichterungen, will Rajoy nichts wissen.
Er hat das Ende der Gewalt geerbt. ETA verkündete Oktober 2011 noch unter Rajoys Vorgänger, dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, vermutlich nach Gesprächen mit dem Innenministerium, die „endgültige Einstellung aller bewaffneten Aktionen“. Rajoys Partido Popular (PP), demonstrierte damals zusammen mit den ihr treu ergebenen Teil der Opfervereinigungen mit Zehntausenden gegen Zapatero. Er würde die Demokratie und Einheit Spaniens verraten, hieß der schwerwiegende Vorwurf.
Von Katalonien lernen
Seit der endgültigen Waffenruhe hat die Politik im Baskenland das Wort. Die vor fünf Jahren entstandene Bürgerbewegung Gure Esku Dago (Es ist in unserer Hand) versucht, die Erfahrungen aus Katalonien zu übertragen. Im Nordosten Spaniens begann alles mit kommunalen Abstimmungen über die Unabhängigkeit. Auch Gure Esku Dago hat solche im Baskenland bereits durchgeführt.
Am 10. Juni diesen Jahres soll wie 2013 in Katalonien das gesamte Baskenland von einer Menschenkette für die Unabhängigkeit durchzogen werden. Auf 202 Kilometern wird sie die drei großen baskischen Städte San Sebastián, Bilbao und Vitoria verbinden.
„Das Recht zu entscheiden ist ein unabdingbares Instrument für das langfristige Zusammenleben“, erklärt der Sprecher von Gure Esku Dago, Zelai Nikolas. Nach Katalonien, wo 80 Prozent der Bevölkerung für ein Unabhängigkeitsreferendnum im beiderseitigen Einverständnis sind, wächst dieser Wunsch auch im Baskenland. ETA ist Geschichte. Das Streben der Basken nach Unabhängigkeit ist es nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben