Basketballparty in New York: Eine Stadt in Ekstase
Die New York Knicks stehen erstmals seit 26 Jahren im Conference Final. Sie haben gute Chancen auf den ersten NBA-Titel seit 1974.

N ew Yorker sind gewöhnlich ungeduldige Menschen, doch am vergangenen Freitagabend erregte sich kaum jemand, der rund um den Madison Square Garden in Midtown Manhattan im Verkehr stecken blieb. Rund 20.000 Menschen waren aus New Yorks berühmtester Sportarena geströmt und hatten nicht vor, in die U-Bahn zu steigen und nach Hause zu fahren.
Stattdessen feierten sie die größte spontane Straßenparty der Stadt, seit Trump 2019 aus dem Amt gewählt wurde, und immer mehr Menschen strömten von überall her dazu. Man kletterte auf Autodächer und Verkehrsampeln, Prominente wie Hollywoodstar Tim Chalamet und Regisseur Spike Lee stiegen aus ihren Limousinen und lagen sich mit anderen Fans in den Armen. New York war in Ekstase.
Man spürte, wie lange sich der Frust angestaut hatte. Die New York Knicks hatten gerade in Spiel Nummer Sechs der NBA Playoffs im Garden den amtierenden Meister Boston mit einem 38 Punkte Vorsprung vom Parkett gefegt und sich zum ersten Mal seit 1999 für das Conference Final der Liga qualifiziert. Nun ist New York nur noch vier Siege vom großen NBA-Finale und der Chance auf eine Meisterschaft entfernt, die zum letzten Mal die Knicks der Jahre 1973/74 nach New York geholt hatten. Am Mittwoch bestreiten die Knicks jetzt ihr erstes Spiel in der Best-of-seven-Serie gegen die Indiana Pacers vor eigenem Publikum.
Die vergangenen 20 Jahre müssen sich für treue Knicks-Fans so ähnlich angefühlt haben, wie eine Haft in Sing Sing. Obwohl die Knicks die teuerste Mannschaft der Liga sind, war das New Yorker Team bis vor vier Jahren die schlechteste Mannschaft in der NBA. Man hatte lediglich eine dürftige Gewinnquote von gerade einmal 41 Prozent aufzuweisen. Die glorreichen Zeiten der 90er Jahre mit der Mannschaft rund um Pat Ewing, die beinahe jedes Jahr um den Titel mitspielte, schienen wie ein entfernter Traum. Von der goldenen Ära der 70er mit Walt Frazier und Willis Reed ganz zu schweigen. Verblasste Autogrammkarten dieser Teams in alten New Yorker Diners riefen lediglich Melancholie hervor.
Unglückliche Entscheidungen
Zwischenzeitlich gab es einmal einen kurzen Aufschwung, zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts, als die Knicks den All-Star Carmelo Anthony an den Hudson holen konnten. Die Knicks schafften es immerhin in die Playoffs, doch Anthony alleine vermochte es nicht, das Ruder herumzureißen. Danach dauerte es sieben Jahre, bis die Knicks wieder in die K.-o.-Runde kamen.
Als Grund für die lange Dürre wird immer wieder der Besitzer Jim Dolan genannt, der die Mannschaft genau zu dem Zeitpunkt übernahm, als es mit ihr bergab ging. Dolan traf immer wieder schlechte Personalentscheidungen, bezahlte zu viel Geld für abgehalfterte Spieler, verpasste Gelegenheiten wie die Free Agency von Kevin Durant und Kyrie Irving. Vor allem jedoch schaffte er mit seiner rachsüchtigen, cholerischen Art ein miserables Betriebsklima, das jegliche Kreativität erstickte. Sogar bei so strahlenden Figuren wie die Trainer Mike d’Antoni und Phil Jackson.
Vor vier Jahren traf Dolan jedoch eine gute Entscheidung. Er setzte den ehemaligen Agenten Leon Rose als Geschäftsführer ein und hielt sich fortan raus. Rose baute zusammen mit Coach Tom Thibodeau geduldig und mit feinem Gespür eine neue Formation aus talentierten Spielern auf, ohne für viel Geld große Stars zu holen.
Jetzt gehört die Startformation um Jalen Brunson, Karl Anthony Towns, Josh Hart und Mikal Bridges zu den aufregendsten und gefährlichsten Teams der Liga. Und zum ersten Mal keimen in der Stadt, deren einzige Profimeisterschaften der vergangenen zehn Jahre die Basketballerinnen der Liberty gewannen, Hoffnung. Unter den verbliebenen vier besten NBA-Teams gibt es in diesem Jahr keinen klaren Favoriten. Es sieht für die Knicks so gut aus, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und die Fans, von denen viele sich nicht mehr daran erinnern können, ein so starkes Team gesehen zu haben, genießen jeden Augenblick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Arbeitszeit in Deutschland
Faul sein fürs Klima
Trump und Putin am Telefon
Nichts als Floskeln
Israelische Militäroffensive
Sinnlos in Gaza
Nach ESC-Erfolg Israels
Debatte um Publikumsvoting
Verletzter Polizist bei Nakba-Demo
Im Zweifel für Demoverbote
Jahresbilanz 2024 der Beratungsstellen
Im Schnitt werden jeden Tag 12 Menschen Opfer rechter Gewalt