Basketball: Verteilung der Talente
Das Procedere beim Draft - der Nachwuchssichtung im Basketball - ist mit einem Tag auf dem Börsenparkett vergleichbar. Ein bisschen Spekulation ist immer dabei.
Dieser Tage, da die ersten Fußballbundesliga-Vereine ihren Trainingsbetrieb wieder aufnehmen, stellt mancher erschüttert fest, was ihm in den letzten Wochen gefehlt hat. Die sommerliche Zeit ohne echten Fußball muss sich der unheilbar süchtige Fan mit Wechselgerüchten vertreiben. In den USA sind solche Surrogate sogar institutionalisiert: Man nennt sie Draft.
Ein Draft ist die alljährliche Verteilung der Nachwuchstalente auf die Profiteams. Die für die Basketball-Liga NBA steht am morgigen Donnerstag an, wird den legendären Madison Square Garden in einen Bienenstock verwandeln und vom Sportsender ESPN acht Stunden lang live übertragen.
Erfunden hat das Prozedere dereinst die NFL. Die Teams der Football-Liga verteilten 1936 erstmals die Talente so organisiert. Der Begriff Draft kommt zwar aus dem Militärischen, die aktuelle Praxis allerdings erinnert eher an Disneyland. Schon Monate im Vorfeld beginnt die Berichterstattung, alle möglichen Szenarios werden durchdekliniert und in Draft-Vorschauen prophezeien Draft-Gurus, dass die Boston Celtics mit dem 32. Pick, den sie am Tag des Drafts in einem Spielertausch von den Chicago Bulls erworben haben, die den wiederum vor drei Jahren bei einem anderen Deal als Dreingabe von den Los Angeles überlassen bekommen haben, dazu nutzen, sich die Rechte an einem Aufbauspieler von einer kleinen Universität zu sichern, nur um den anschließend sofort im Tausch für einen etablierten Spieler und einen höheren Draft-Pick im kommenden Jahr an die New York Knicks abzugeben. So ungefähr jedenfalls. Anschließend werden die Vorzüge dieses Spielers detailreich diskutiert. Und großzügig darüber hinweggesehen, dass eine einzige anders gefällte Entscheidung mehrere Stunden früher eine Kettenreaktion auslöst, die das ganze Szenario komplett zum Einsturz bringt.
Aber egal: Das Schönste am Sport, findet der Amerikaner, ist es doch, dass man drüber reden kann. Also gibt es mittlerweile fast mehr Sport-Talk-Radiostationen als Musiksender, eigene Hochglanz-Magazine zum Draft, und die Baseballer drafteten, weil es so einen Spaß macht, früher gleich dreimal im Jahr.
Der moderne Draft ist noch am ehesten einem Tag auf dem Börsenparkett vergleichbar. Die Teams richten sogenannte "war rooms" ein, in denen Trainer und Scouts die noch verbliebenen Spieler evaluieren, von denen jeder vorher ausgiebig getestet und erforscht wurde. Während vorne auf der Bühne des Madison Square Garden die kommenden Superstars mit den Trikots ihrer neuen Arbeitgeber präsentiert werden, wird hinter den Kulissen hektisch telefoniert und verhandelt: Immer wieder wollen Teams die Liste nach oben rutschen, um sich einen Spieler zu sichern, während andere lieber Picks für kommende Jahre horten.Die meisten Talente sind schon seit Highschool-Zeiten auf dem Radar von Scouting-Firmen, die gut davon leben, den Klubs ihr detailliertes Spezialwissen und angehäuftes Datenmaterial zur Verfügung zu stellen.
Der Grund für den enormen Aufwand ist simpel: Niemand möchte einen so groben Fehler begehen wie die Portland Trailblazers im Jahr 1984. Die erwählten einen gewissen Sam Bowie mit Pick Nummer zwei. Anschließend entschieden sich die Chicago Bulls für einen spindeldürren Shooting Guard von der University of North Carolina. Sein Name: Michael Jordan.
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