■ Baskenland: Gemäßigte Nationalisten fordern UN-Beobachter: Wie ETA den Krieg gewann
Verrückte Welt. Während nach Verhaftungen von Aktivisten der bewaffneten Separatistengruppe ETA die Anschläge gegen nicht-nationalistische Politiker und Parteien im Baskenland zunehmen, verlangen die beiden gemäßigt-nationalistischen Regierungskräfte, PNV und EA, die Entsendung von UN-Beobachtern. Sie sollen untersuchen, warum der Friedensprozeß auch sechs Monate nach der Verkündung einer unbefristeten Waffenruhe durch ETA nicht vorankommt.
Als vergangenen Sommer über 20 baskische Organisationen ein Abkommen unterzeichneten und einen Dialog zur Lösung des Konflikts anmahnten, war dies der Beginn einer hoffnungsvollen Entwicklung. ETA legte die Waffen nieder. Das von HB, dem politischen Arm der ETA, gegründete Wahlbündnis Euskal Herritarok unterstützte erstmals in der Geschichte der baskischen Autonomie eine Minderheitsregierung aus PNV und EA. Alles sprach dafür, daß es den gemäßigten Kräften gelungen war, die Linksnationalisten demokratisch einzubinden.
Sechs Monate später erweist sich diese Einschätzung als Irrtum. Nicht die Gemäßigten, die Radikalen geben den Kurs vor. Das Ziel heißt Unabhängigkeit. Politische Kräfte, die diesen Kurs nicht mitgehen wollen, werden von der linksnationalistischen Jugendorganisation Jarrai mit Terror überzogen. Das Madrider Innenministerium zählte im letzten halben Jahr über 220 Brand- und Bombenanschläge.
Während die baskische Autonomiepolizei einfach wegschaut, hat sich die PNV letztes Wochenende im Gemeinderat von Ortuella bei Bilbao geweigert, einen Brandanschlag gegen ein sozialistisches Parteilokal zu verurteilen. Statt dessen reihte sich die Gewerkschaft der PNV, ELA, am Samstag bei der HB-Großdemonstration gegen die Verhaftungen der letzten Wochen ein. Sicherlich ist es gerechtfertigt, Razzien gegen ETA und die Durchsuchung der HB-Zentrale als dem „Friedensprozeß abträglich“ zu kritisieren. Doch eines hat die PNV vergessen: Nur wer auch die Gewalt gegen politisch Andersdenkende bedingungslos verurteilt, hat das Recht, die unflexible Haltung Madrids zu beklagen.
Oder hat sich die PNV mittlerweile statt des Dialogprozesses in Nordirland ganz andere Szenarien zum Vorbild genommen? Was wird nach der Forderung einer internationalen Beobachterdelegation der nächste Wunsch sein? Etwa die Bombardierung Madrids durch eine Nato-Mission? Reiner Wandler
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