Basisbesuch: Der grüne Schwarze unter Freunden
Hamburgs designierter Bürgermeister Ahlhaus überzeugt die Grünen davon, nicht erzreaktionär zu sein. Dass der Parteitag am Sonntag für die Fortführung der Koalition stimmt, gilt als sehr wahrscheinlich.
Es war die höchste Hürde, aber Christoph Ahlhaus hat sie genommen. "Tapfer geschlagen" habe der designierte Hamburger Bürgermeister sich vor der Basis der Grün-Alternativen Liste (GAL), befindet deren Fraktionschef Jens Kerstan. Und das meint er nicht als Anspielung auf Ahlhaus einstige Verbindungen zur schlagenden Turnerschaft Ghibellinia in Heidelberg. Der Innensenator, fährt Kerstan fort, habe "die Chance genutzt, Vorbehalte gegenüber seiner Person abzubauen". Aus Sicht von Christa Goetsch, Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin, hatte Ahlhaus "ein klares Bekenntnis zur Verknüpfung von Ökologie und Ökonomie abgegeben". Das sei "wichtig" für grüne Politik.
Zu einem "Abend unter Freunden", so Ahlhaus selbst, war der Christdemokrat am Mittwochabend in der Freien Akademie der Künste am Hamburger Hauptbahnhof erschienen, und hatte deshalb die Krawatte gleich weggelassen. Nach drei Stunden hinter verschlossenen Türen, die außer ihm nur etwa 400 GAL-Mitglieder passieren durften, war die Richtung klar. Sie sei zuversichtlich, dass auf dem Parteitag am Sonntag "ein positives Votum" für die Fortsetzung des Bündnisses mit der CDU geben werde, sagte Hamburgs Grünenchefin Katharina Fegebank.
Die hatte vor der Veranstaltung noch eingeräumt, dass ihr "ganz schön die Düse" gehe. Denn nach dem verlorenen Volksentscheid über die Schulreform und dem angekündigten Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust steht die schwarz-grüne Koalition auf der Kippe.
Oder stand - bis Mittwochabend: Ahlhaus ist es offenbar gelungen, die skeptische Basis der Grünen wenn nicht zu überzeugen, so doch zumindest zu beruhigen. Sozialer Wohnungsbau, Stadtbahn, CSD - alles kein Problem mit einem Bürgermeister Ahlhaus. Auch was die Eigenständigkeit der Kulturbehörde angeht, sagte Ahlhaus nach der Basisvisite, er habe die Wünsche der Grünen "verstanden": Der Koalitionspartner war intern Spekulationen entgegengetreten, das Ressort könne mit der Wissenschaftsbehörde zusammengelegt werden. Eine Reihe Hamburger KünstlerInnen forderte am Donnerstag im Hamburger Abendblatt nochmals den Erhalt einer eigenständigen Behörde.
Ahlhaus habe ja sogar "eine humorige Seite", staunte nach dem Freundschaftsbesuch ein Grünen-Mitglied, eine Parteifreundin wollte gar "Selbstironie" festgestellt haben. Und ein dritter GALier sagte anerkennend: "Er ist wohl doch kein Erzreaktionär."
Gute Voraussetzungen also, um auf dem Parteitag der Grünen am Sonntag ein klares Bekenntnis für die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition zu bekommen. Er habe "jetzt ein positives Grundgefühl", sagt Parteivize Anjes Tjarks: "Eine klare Mehrheit ist wahrscheinlich." Am heutigen Freitag will der Landesvorstand einen Leitantrag vorlegen, der dem Parteitag die Fortführung der Koalition mit der CDU empfiehlt. Ein Antrag, "den Bruch der Koalition herbeizuführen", liegt bereits vor, ein dritter knüpft die grüne Regierungsbeteiligung an Zugeständnisse der CDU.
Derweil fordert die Grüne Jugend "die sofortige Beendigung" der Koalition. Der Rücktritt von Beusts habe "das Vertrauen in die Verlässlichkeit der CDU schwer beschädigt", Ahlhaus stehe "für eine konservative Wende". Die GAL dürfe sich nicht "von der CDU einen solchen Bürgermeister aufzwingen" lassen, fordert der grüne Nachwuchs in einem dreiseitigen Positionspapier. "Schwarz-Grün ist ein gescheitertes Experiment", deshalb seien Neuwahlen der richtige Weg, "einer neuen Regierung eine neue Legitimationsbasis zu verschaffen".
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