Barrierefreiheit in Bremer Bädern: „Seit Jahren Pflichtverletzungen“

Der Petitionsausschuss der Bürgerschaft hat die Bremer Bäder wegen mangelnder Barrierefreiheit gerügt. Die SPD will dem nachgehen.

Während der Bademeister Schmutz aus dem Becken sammelt, zieht der einzige Badegast im Stadionbad in Bremen seine Bahnen.

Schlechtes Pflaster für Rollifahrer*innen: Barrierefreiheit ist in Bremer Bädern oft nicht vorhanden Foto: Carmen Jaspersen / dpa

BREMEN taz | Wie wichtig ist es der Geschäftsführung der Bremer Bäder eigentlich, die Bäder so umzurüsten, dass auch Menschen mit Behinderungen sie problemlos nutzen können? Das will die SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft vom Bremer Senat wissen, eine Antwort gibt es aber erst nach der Sommerpause im Parlament.

Der Anlass für die Frage ist die Petition einer Bremerin, die Anfang Juli abschließend im Petitionsausschuss der Bremischen Bürgerschaft beraten wurde. Die sehbehinderte Petentin Sanatha Hanning habe „Missstände in der Bremer Bäderlandschaft identifiziert, die sie persönlich erlitten hat“, heißt es im Abschlussbericht des Petitionsausschusses.

Aus diesem geht deutlich hervor, dass den Bremer Bädern Barrierefreiheit kein Herzensanliegen ist. Mehr noch: Diese würden „seit Jahren gegen ihre gesetzlichen Pflichten“ verstoßen, „nachdem bei allen Renovierungsarbeiten die Verbesserung der Barrierefreiheit öffentlicher Gebäude berücksichtigt werden müssen“.

Das beginnt bereits bei der Suche nach dem Stichwort „barrierefrei“ auf der Internetseite der Bremer Bäder: null Treffer. Auch der Versuch, über den „Badfinder“ auf der Homepage weiterzukommen, scheitert. Der soll eigentlich helfen, das richtige Bad zu finden – aber da geht es nur um die Unterscheidung von Hallen- und Freibädern. Wer „noch Fragen“ hat, soll die zentrale Hotline anrufen. Aber um zu erfahren, wo es einen Lift gibt, wie breit die Türen sind oder ob ein taktiles Bodenleitsystem vorhanden ist, müsse man bei jedem Bad einzeln anrufen, heißt es dort.

Sanatha Hanning, Petentin mit Sehbehinderung

„Schilder kann ich nicht lesen und mit Handläufen kann ich nichts anfangen“

Die Petentin Sanatha Hanning würde gern im Südbad schwimmen gehen. Doch weil sie sehbehindert ist und sich nur mit einem Blindenstock bewegen kann, sei sie dort auf Hilfe angewiesen. Es gäbe im Südbad aber keine taktilen Bodenstreifen, die sie mit dem Stock durch das Gebäude leiten würden.

Der Petitionsausschuss schreibt in seinem Bericht, er habe den Bremer Bädern vorgeschlagen, nachträglich Leitlinien auf dem Boden anzubringen und zur Antwort bekommen, auf Fliesen könne nichts geklebt werden. „Das verwundert“, schreibt der Ausschuss, „da es sich hierbei um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, die von den Bremer Bädern bestmöglich umgesetzt werden sollte.“

Ebenfalls „verwundert“ zeigt sich der Ausschuss von der Position des Unternehmens, „dass im Südbad ausreichend Handläufe und Schilder vorhanden seien“, damit sei der Pflicht, Barrierefreiheit herzustellen, genüge getan. Sanatha Hanning fällt dazu auch nicht mehr viel ein, weil ihr das nicht weiterhilft. „Schilder kann ich nicht lesen und mit Handläufen kann ich nichts anfangen“, sagt sie.

Auch Menschen mit anderen Behinderungen können die Bremer Bäder nur eingeschränkt nutzen, ihre Würde bleibt dabei bisweilen auf der Strecke. So erzählt es Jörn Neitzel, ein Rollstuhlfahrer, der vor der Pandemie wöchentlich mit einer Assistenz im Südbad schwimmen war: „Dort gibt es keinen Lift. Ich musste im Nichtschwimmerbecken auf der Treppe mit dem Po runterrutschen.“

Außerdem könne man mit dem Rollstuhl, den das Südbad anbietet, nicht selbst fahren, sondern sei auf jemanden angewiesen, der einen schiebt. Unnötige Hindernisse stellten im Badebereich einige Türen dar, die so schwer seien, dass jemand sie für ihn aufhalten müsse.

Es gibt aber auch wenige positive Punkte, sagt Neitzel: Die barrierefreien Duschen sowie die mit einer Liege ausgestatteten Umkleiden für Rollstuhlfahrer.

Keine vollumfängliche Sanierung der Bestandsbäder

Warum auch ein barrierefreies Schwimmbad notwendig ist, erklärt Kai Steuck, Stellvertreter des Landesbehindertenbeauftragten. „Barrierefreiheit ist die Grundvoraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe“, sagt er, „dadurch wird eine unabhängige Lebensführung ermöglicht.“ Gemeint sei damit nicht nur rollstuhlgerecht, sondern beziehe sich auf alle Arten von Beeinträchtigungen wie Seh- und Hörbehinderungen oder Kleinwüchsigkeit.

Schwimmbäder, die niemanden ausschließen, soll es in Bremen aber bald geben. Dann nämlich, wenn das Horner Bad, das Waller Westbad und das Freizeitbad Vegesack umgebaut seien. Die Baumaßnahmen seien mit dem Landesbehindertenbeauftragten abgestimmt worden, heißt es in einer Stellungnahme der Bäder.

Für die anderen Bäder sehe es schlecht aus: „Eine vollumfängliche Sanierung der Bestandsbäder um die Barrierefreiheit wird baulich nie möglich sein, da die Architektur der Gebäude dies in der Regel nicht zulässt“, heißt es. Es seien aber im Zuge von Sanierungen „kleine Optimierungen geplant“.

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