Barcelonas Xavi ist fertig: Zauberfuß mit Sehnenreizung
Xavi Hernández, Fußballstar beim FC Barcelona und in Spaniens Nationalmannschaft, schleppt sich durch die Saison. Schuld sind seine Sehnen - und die Überlastung.
BARCELONA taz | Xavi trat auf den Fußballplatz, und der Rasen machte ihm Angst. Der Platz beim jüngsten Champions-League-Spiel Anfang November in Kopenhagen war sehr hart und trocken. Xavi Hernández, der Chefideologe des Passspiels von Weltmeister Spanien und dem FC Barcelona, ahnte, er würde das Spiel wieder mit schreienden Schmerzen beenden.
"Es gab Partien, da wollte ich mich am liebsten nach 20 Minuten auswechseln lassen", sagt er. Beide Achillessehnen sind seit dem Sommer chronisch entzündet. Und so befindet sich Xavi mit 30 Jahren in einer merkwürdigen Situation: In den Augen des Publikums erlebt er gerade den Höhepunkt, Weltmeister in Südafrika und der logischste Kandidat für die Wahl zum Weltfußballer des Jahres 2010. Er selbst aber muss fürchten, dass seine Zeit als allzeit dominanter Fußballer gerade zu Ende geht.
Entzündungen der Achillessehnen gehören zu den hartnäckigsten Sportverletzungen. Sind die Sehnen einmal chronisch überreizt, besteht meist die einzige Linderung darin, den Sport drastisch zu reduzieren. Xavi setzte diese Saison bereits sechs Partien aus, in acht seiner elf Klubeinsätze wurde er zudem zur Schonung vorzeitig ausgewechselt, und dass er fortan wohl nur noch ein Teilzeitfußballer sein kann, gestanden die Verantwortlichen des FC Barcelona diese Woche ein, ohne ein Wort über ihn zu verlieren: Es wurde bekannt, dass Barça in der Winterpause kurzfristig den niederländischen Nationalspieler Ibrahim Affelay vom PSV Eindhoven verpflichten will. Er soll Xavi Pausen verschaffen.
Chefideologe des Spiels
Für die spanische Nationalelf, die an diesem Mittwoch einen Test in Portugal absolviert, genauso wie für Barça wird es eine Zeitumstellung: Xavi war das Perpetuum mobile ihres Spiels, unaufhörlich rollten seine Pässe, in jeder Partie lief nahezu jeder Angriff über ihn. Wenn er nun immer wieder einmal pausieren muss, werden sich Spanien und Barça verändern müssen, denn "einen zweiten Xavi zu backen, ist unmöglich", sagt Nationaltrainer Vicente del Bosque.
Man spürt den feurigen Schmerz in Xavis Sehnen förmlich, wenn man folgende Zahlen liest: 62, 67, 65, 71. Das ist die Anzahl der Partien, die er in den vergangenen vier Spieljahren bestritt; jede Saison deutlich mehr Partien als das Jahr Wochen hat, jedes Jahr raubte ihm ein Länderturnier die Sommerpause, EM, Konföderationenpokal, WM. Anfang des Jahrzehnts führten Trainer wie Ottmar Hitzfeld oder Claudio Ranieri die Radikalrotation ein, alle Spieler ihres Teams, egal wie gut sie waren, mussten öfters auf die Ersatzbank oder Tribüne, um mit den Kräften hauszuhalten.
Heute sind die spielprägenden Fußballer von dieser Rotation wieder ausgenommen: Xavi oder auch Lionel Messi, Bastian Schweinsteiger, Cristiano Ronaldo sollen immer spielen. Eine Achillessehnenentzündung ist das Zeichen einer eindeutigen Überlastung.
"Im Oktober war es so weit, dass ich zwar noch spielte, aber keine Freude mehr dabei empfinden konnte", sagt Xavi. Dann erfuhr er, dass Mario Álvarez vom FC Getafe die chronisch entzündete, mit Schmerzmitteln betäubte Achillessehne gerissen war. "Da fängst du an nachzudenken." Wie oft er pausieren wird, werden die akuten Schmerzen bestimmen; dass sie ganz verschwinden, solange er als Profi arbeitet, ist unwahrscheinlich.
"Ich mache so lange weiter, wie der Körper durchhält", sagt Xavi Hernández. Wie immer bei ihm klingt das gelassen und zuversichtlich, auch wenn er eine Saison schon abgeschrieben hat: Anders als sonst im Herbst müssen seine Eltern in dieser Pilzsaison ohne ihn in den Wäldern Kataloniens nach Rotfußröhrlingen und Schirmpilzen suchen.
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