Bankenchef Oddsson scheitert: Der Laie in der Notenbankzentrale
Davís Oddsson dürfte bald wieder mehr Zeit für Ehefrau und Sohn sowie vielleicht eine neue Bühnenkarriere haben. Seine Politik hat Island in die schwerste Krise seiner Geschichte gestürzt.
Es war wohl keine gute Idee, den Sessel des Notenbankchefs mit einem Laien zu besetzen. Doch Davís Oddsson brauchte nach dem Ende seiner politischen Karriere einen einträglichen Job. Für den Chefposten bei der "Sedlabanki" hatte er sich selbst ins Gespräch gebracht. Diese Bitte wollte man dem Mann, der 13 Jahre Islands Ministerpräsident war, nicht abschlagen. Wer konnte vor drei Jahren auch ahnen, dass dieser repräsentative Posten ins Zentrum eines finanziellen Orkans rücken würde.
So kam es, dass Oddsson als oberster Banker nun eine Suppe auslöffeln muss, die er seinem Land als Regierungschef selbst eingebrockt hat. Der Vorsitzende der konservativen Selbstständigkeitspartei hatte von 1991 bis 2004 die Weichen stramm auf marktliberalen Kurs gestellt. Er deregulierte den Devisen- und Finanzmarkt der Insel und privatisierte die öffentlichen Banken. Damit stieß er eine Entwicklung an, die das "liberale Wunderland" (Wall Street Journal) zu befähigen schien, sich die halbe Welt einzukaufen - bis das Kartenhaus zusammenstürzte.
Der 60-jährige Jurist ist persönlich eher den schönen Künsten zugeneigt. Er schreibt Gedichte, Bühnenstücke und Kurzgeschichten, schauspielerte und war in der Theaterbranche. Als der finanzielle Crash Island in die Nähe des Staatsbankrotts rückte, war Oddsson überfordert. Die politische Frechheit und Entscheidungsstärke, die am Regierungschef und früheren Bürgermeister Reykjaviks gerühmt oder von KritikerInnen als diktatorischer Regierungsstil bezeichnet wurde, war ihm als Notenbankchef eher im Wege.
Gegen jede währungspolitische Vernunft versuchte er die schwache Landeswährung fest an Euro oder Dollar zu binden. Er behauptete einen russischen Riesenkredit in der Tasche zu haben, von dem man in Moskau gar nichts wusste.
Die Banken brachte er erst richtig in die Schieflage, als er gegen deren eigenen Willen ein Institut, das nur einen Staatskredit wollte, Hals über Kopf verstaatlichte. Aber es war eben die Hausbank des Konzerns eines Geschäftsmanns, mit den ihn eine jahrelange Fehde verbindet: Dieser hatte ihm die tiefste Niederlage seiner politischen Laufbahn bereitet. Mit dem Versuch, dessen wirtschaftliche und publizistische Macht mit Hilfe eines Sondergesetzes einzuschränken, hatte sich Oddsson völlig verrannt und musste vom Staatschef gestoppt werden, der sich weigerte, dieses verfassungswidrige Gesetz zu unterschreiben. Mit der Bitte um einen IWF-Kredit, zu dem Oddsson jetzt gezwungen war, musste er das Scheitern seiner Politik endgültig eingestehen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis er seinen Hut nimmt.
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