: Bange Rückkehr in die Türkei
■ Generalsekretäre einer neugegründeten Kommunistischen Partei kehren in die Heimat zurück / Kommunistische Parteien sind nach wie vor verboten / Für Demokratie und politische Diskussion
Berlin (taz) - Wie es ihnen ergehen wird, wenn sie am heutigen Montag in Ankara aus dem Flugzeug steigen, konnten die beiden Kommunisten nicht sagen. Nihat Sargin, Generalsekretär der „Arbeiterpartei der Türkei“, und Haydar Kutlu, Generalsekretär des ZK der türkischen KP, wollen heute als die Chefs der „Vereinigten Kommunistischen Partei der Türkei“ (TBKP), zu der sich ihre beiden Gruppierungen vor einem Monat zusammengeschlossen haben, in ihre Heimat zurückkehren. Ihr erklärtes Ziel ist es, dort ihrer Partei in die Legalität zu verhelfen. Das wird auf einige Schwierigkeiten stoßen, denn kommunistische Parteien sind in der Türkei heute verboten. Die KP wurde 1922 in Ankara verboten und ist es bis heute. Die Arbeiterpartei wurde 1961 gegründet und kam 1965 sogar mit 15 Abgeordneten ins Parlament. Nach einem Militärputsch 1971 wurde sie jedoch verboten, 1975 erneut gegründet und 1980 wieder aufgelöst. Die Rückkehr geschieht knapp zwei Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen in der Türkei. Während der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Volkspartei (SHP), Fikri Saglar, die Entscheidung begrüßte, verhielt sich der wahlkämpfende Premier Turgut Özal vorsichtig: „Wenn ein Verfahren gegen sie vorliegt, wird es durchgeführt“, sagte er, aber sein Berater Adnan Kahveci fügte hinzu: „Wir können die juristische Lage nicht beeinflussen. Aber auf anderem Gebiet können wir behilflich sein.“ Tatsächlich rechnen die beiden Politiker mit ihrer Verhaftung oder doch zumindest mit der Eröffnung eines Verfahrens gegen sie. Aufgrund des Artikels 146 der türkischen Verfassung können Leiter einer illegalen Organisation zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt werden. Namhafte türkische Intellektuelle haben sich unterdessen dafür ausgesprochen, daß die Kommunistische Partei in der Türkei zugelassen werden soll. Der bekannte Schrifsteller Aziz Nesin hatte im Sommer der taz gegenüber betont, eine Demokratie müsse immer auch eine kommunistische Partei zulassen. An den Fragen, die auf einer Pressekonferenz der beiden Generalsekretäre vergangene Woche in Berlin gestellt wurden, lassen sich jedoch die Bedenken ablesen, die Teile der türkischen Öffentlichkeit bewegen: Ob die beiden garantieren könnten, daß die Intensivierung der politischen Diskussion, zu der ihre Rückkehr in der Türkei führen wird, nicht - wie vor dem Militärputsch 1980 - in bewaffneten Auseinandersetzungen enden werden, wollte ein türkischer Journalist wissen. Die beiden Kommunisten gaben sich jedoch ganz staatstragend: Kommunisten seien keine Terroristen, erklärten sie. Ihre Partei strebe auch keinen Einparteienstaat an, fordere nicht den sofortigen Austritt der Türkei aus der NATO und wolle lediglich eine Demokratisierung des Landes, in der politische Diskussionen möglich seien. Und die Zeit für diese Diskussionen sei nun reif. -ant–
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