Banda Comunale gegen Rechts: Die guten Vibes von Dresden
Die Banda Comunale aus Dresden ist auf Demonstrationen und in Geflüchtetencamps aktiv. Inzwischen macht sie auch Workshops an Schulen.
„Musik ist positiv und fühlt sich für alle Beteiligten gut an“, weiß Germi Rieß, der 2013 mit seiner Trompete Teil der Banda Comunale wurde. Seinerzeit spielte die Band auf Demos, aber auch auf Hochzeiten und gab gewöhnliche Konzerte. Alles sei „viel kleiner und ganz anders als jetzt“ gewesen, erinnert er sich. Das gilt auch für die Protestkultur in seiner Stadt: Wenn sich früher 200 bis 300 linke Studierende gegen offensichtliche Nazis positionierten, wurden sie von der Polizei als Linksterroristen behandelt und vom Bürgertum nicht beachtet. Dann aber kam Pegida.
Seit Dezember 2014 bewegten sich Nazis, die in Sachsen schon immer geduldet wurden, und ein verdeckter Rassismus, den es in Sachsen schon immer gab, in immer größeren Schritten aufeinander zu. Montags gingen deren Protagonist*innen gemeinsam „spazieren“. In den ersten Wochen wurde dies nur von den üblichen Studierenden und antifaschistischen Gruppen ernst genommen. Als aber am 1. Dezember 2014 lediglich 200 Menschen die inzwischen 12.500 Pegida-Anhänger*innen auf dem Terrassenufer blockierten, rief die Stadt ein einwöchiges Demonstrationsverbot aus. Die Lage drohte zu eskalieren, und alle Augen richteten sich auf Dresden.
Dies führte vorerst zu breiterer Beteiligung an linken Protesten: Sie wurden bunter, zielten jedoch auch nicht darauf ab, Pegida zu blockieren. Als die Beteiligung zum Jahreswechsel wieder abebbte, rief die Banda Comunale gemeinsam mit der Band Yellow Umbrella zum Neujahrsputz auf. Daraufhin kamen montags bis zu 7.500 Menschen in Warnwesten und mit Besen in der Hand auf den Theaterplatz, um den braunen Dreck von den Pflastersteinen zu putzen. Links passierte mehr, als schlichtweg dagegen zu sein.
Und auch, wenn diese Zeiten von Anspannung bestimmt waren, sorgte die von Trommeln getaktete Blasmusik der Banda für etwas Fröhlichkeit und Optimismus in den Protesten für ein buntes Dresden. Ihre Musik wurde so zum Soundtrack einer Bewegung. Dass dies ein bewährtes Rezept ist, zeigt der Blick in die Geschichte der Brassbands.
Lungen der Arbeiter freiblasen
Ursprünglich etablierten sie sich in der Bergbauindustrie Englands im 19. Jahrhundert. Ihre Konstellation war, was bereits vom Militär entdeckt und genutzt wurde, besonders geeignet für unverstärkte Open-Air-Musik. Außerdem ermöglichte sie die Bewegung der Musiker während des Spiels. Dass auch die Industriearbeiter sich irgendwann in Bewegung setzen würden, sahen die Kapitalisten aber vermutlich nicht voraus.
Die Musik sollte in den Fabriken ursprünglich eher zur Identifikation und Bindung an das Arbeitsumfeld beitragen und, so sagt es die Geschichte, die verstaubten Lungen der Arbeiter freiblasen. Bald hatten alle großen Betriebe eigene Arbeiterbands, die zum Teil auch über die Lebzeiten ihrer Arbeitgeber hinweg existierten. Sie waren es auch, die hundert Jahre später den großen Miner’s Strike von 1984/85 musikalisch trugen.
In Sachsen kam eine weitere Zäsur im Juni 2015. Die erschreckenden Bilder von der Lage der Geflüchteten im „Hotel Leonardo“, der Erstaufnahmeeinrichtung in Freital, fanden bundesweit Beachtung. Tag und Nacht wurden die Menschen im Leonardo belagert, beleidigt und bedroht. Wenn nicht gerade Kamerateams und die Antilopen Gang vor Ort waren, organisierten Antifa und Zivilgesellschaft den Schutz der Geflüchteten, der von der Polizei nicht lückenlos gewährleistet wurde.
Auch die Banda Comunale kam in die kleine Stadt nahe Dresden, um den Geflüchteten zu zeigen: „Ey, hier sind auch andere Leute.“ Germi erinnert sich noch genau, wie Gründungsmitglied Michał Tomaszewski die eingeschüchterten Menschen mit Konfetti begrüßte und so mit einer Selbstverständlichkeit ihre Ankunft in Deutschland, ihr Überleben feierte. Während sie die Sorgen für einen Moment mit ihren Instrumenten scheinbar wegbliesen, wurde ihnen von rechter Seite gedroht, man werde sie köpfen.
Ein völlig neuer Sound
In der Bahn zurück nach Dresden, noch immer vor Anspannung zitternd, entstand die Idee, die Banda Comunale zur Banda Internationale wachsen zu lassen. Die Band wurde also für geflüchtete Musiker geöffnet. Instrumente wie Oud, Cello, Gitarre und Percussions kamen zu den Blechbläsern hinzu. Klezmer stieß auf arabische Klänge, lässige Marschmusik auf verspielte Umwege.
So entstand ein völlig neuer Sound. Den trug die Banda in wechselnder Besetzung nun durch Camps und Demonstrationen, Benefizkonzerte für Geflüchtete und deutsche Gefängnisse – und gab so Anlass für Begegnungen.
„Zu dieser Zeit taten alle, was sie konnten, im Kleinen wie im Großen“, erinnert sich Germi. Linke Positionen wurden neu betrachtet, auch im Bürgertum. Das brachte zwar noch längst nicht alle Menschen auf die Straße, die gegen Rassismus waren. Doch viele fanden nun eigene Wege zu helfen: spendeten Kleidung, Duschbad oder Unterwäsche, backten Kuchen. Um die hohe Engagementbereitschaft aufzufangen, wurden zahlreiche Initiativen gegründet. Einige hielten sich, andere wurden von Resignation geschluckt.
Die Banda aber blieb, entwickelte sich ständig weiter, verbreitete positive Stimmung und Hoffnung. Das wurde gesehen: Radio-, Fernseh- und Zeitungsbeiträge entstanden, Preise wurden gewonnen, das gemeinsame Album „Kimlik“ aufgenommen, der Dokumentarfilm „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ gedreht.
Doch nach diesen Veröffentlichungen im Jahr 2017 konnten selbst sie nicht mehr. Die wechselnden Besetzungen kosteten Kraft, von Pegida war nur noch der unbekehrbare Kern übrig – und der Rassismus in der Gesellschaft war dennoch nicht verschwunden. Es war wieder an der Zeit, umzudenken.
Zeigen, dass es funktioniert
Sich künftig vor allem an Schülerinnen und Schüler zu richten, nennt Germi heute die beste Entscheidung seines Lebens – dort könne man etwas erreichen. In Workshops mit bis zu 150 Kindern und Jugendlichen werden Instrumente gefertigt, Rhythmusübungen durchgeführt, arabische oder afrikanische Lieder gesungen und es wird getanzt und schließlich gemeinsam musiziert.
Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.
Dabei erzielt die Banda allein durch ihre Diversität einen Effekt: Die Band hat inzwischen sechzehn verschiedene Gesichter, kann fast zwanzig verschiedene Instrumente spielen, stammt aus acht Ländern, kann acht Sprachen sprechen, einigt sich aber auf Deutsch.
Bei Besuchen ab der sechsten Klasse berichten die Zeitzeugen der Band zusätzlich von ihrer Flucht und beantworten Fragen. „Wenn jemand dir so etwas erzählt, dann geht es dir in jedem Falle nah. Es berührt dich. Du kannst nicht mehr sagen ‚diese Flüchtlinge‘. Nein, da sitzt Thabet. Er ist 28 Jahre alt. Er ist aus gleichem Blut, spielt richtig geil Oud und ist auch noch Arzt. Und der erzählt dir wirklich krasse Geschichten, aus seiner Kindheit und von der Flucht – und der hat echt dolle Geschichten drauf“, sagt Germi.
Das gestalte sich nicht immer unproblematisch. Während Kinder noch vorurteilsfrei seien, sei es zum Teil schwerer, Jugendliche ebenso zum Staunen, Zuhören und Mitdenken zu bringen.
Du brauchst eine Gesprächskultur
An den „sächsischen Verhältnissen“ wird keine Wahl etwas ändern, denn „egal, was für eine Regierung du hast – die Rassisten sind hier“, sagt Germi. Statt einer Partei entscheide die Bildung über die Zukunft dieses Bundeslandes. „Denn ohne Bildung hat eine Demokratie keine Chance. Du musst aufgeklärt sein, musst wissen, wie demokratische Prozesse funktionieren, brauchst eine Gesprächskultur.“
Nicht umsonst fragen zahlreiche Schulen die Banda für Workshops an. Denn was die Band durch ihre Offenheit – musikalisch wie menschlich – gewonnen hat, kann allen zeigen, „dass es funktioniert“.
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