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Balkankonferenz in Tirana beendet

„Charta der allgemeinen Zusammenarbeit“ verabschiedet/ Appell an Europa, die Region nicht zu vergessen  ■ Von Roland Hofwiler

Belgrad (taz) — Zwei Tage konferierten die Außenminister der sechs Balkanstaaten in Tirana. Und was sie gestern als Abschlußdokument verabschiedeten, das kann sich für „balkanische Verhältnisse“ sehen lassen. Alle Seiten einigten sich auf eine „Charta der allgemeinen Zusammenarbeit“, in der vor allem Minderheiten- und ethnische Probleme zwischen den einzelnen Regionalstaaten nach allgemein verbindlichen Rechten und Zugeständnissen geregelt werden. Und sie beschlossen eine Freihandelszone ähnlich der Efta. Bulgarien, das im KSZE-Entspannungsprozeß bisher als Bremser galt, wurde ein ständiges Sekretariat für Sicherheitsfragen der Region zugesprochen. Sofia soll im nächsten Jahr der Ort eines weiteren Treffens werden. Rumänien, das wegen Verletzung der Menschenrechte von westlichen Staaten noch immer gerügt wird, wurde auserkoren, ein Institut zur Problematik von Menschenrechts- und Minderheitenfragen zu beherbergen.

Nach außen hin gaben sich alle Außenminister zuversichtlich und zufrieden, manch einer nahm auch große Worte in den Mund. Für die jugoslawische Seite lag die Bedeutung des Treffens vor allem darin, daß man einer „Balkanisierung“ entschieden entgegengetreten sei und man sich nun für eine „Skandinavisierung des Balkan“ stark mache. Schlagworte, wie man weiß. Denn hinter den Kulissen wurde erbittert gestritten. Griechenland und Bulgarien beklagten sich, daß der „jugoslawische Chauvinismus“ nicht zur Sprache kam.

Jugoslawien warf beiden Nachbarn vor, die mazedonische Minderheit unmenschlich zu unterdrücken. Ähnliche Vorwürfe kamen von seiten der Türkei gegenüber Bulgarien wegen der türkischen Minderheit im Lande, von seiten Albaniens in der Frage der Kosovo-Albaner, und von griechischer Seite an die Adresse Tiranas wegen fehlender Minderheitenrechte für die griechischen Minderheit Südalbaniens.

Während in frühen Jahren gerade wegen dieser ungelösten nationalen Fragen jede Balkankonferenz platzte, besann man sich diesmal endlich eines Besseren. In einer Erklärung an die kommende KSZE- Konferenz in Paris baten alle sechs Staaten, Europa möge doch das Armenhaus des Kontinents nicht vergessen und mithelfen, die Probleme, die zwischen den Balkanstaaten noch immer für Spannungen sorgen, zu mindern. Solche klaren Aussagen hatten man noch vor einem Jahr vergebens gesucht. Da überdeckten ideologische Differenzen und nicht etwa Fakten die Zusammenkunft balkanischer Politiker.

Bezeichnenderweise schenkte man der Frage der Blockzugehörigkeit nur begrenzte Bedeutung. Man war sich einig, daß nicht die militärische Zugehörigkeit ausschlaggebend sei, sondern die allgemeine Entspannung und Auflösung der Blöcke in Europa. Geflissentlich ließ man jedoch dabei die Frage offen, wie sich das einstige Pulverfaß Balkan konkret in eine „Friedenszone“ (so der albanische Gastgeber Ramiz Alia) umwandeln läßt, solange es gerade wie in diesen Monaten erneut zu unzähligen, zwar lokal begrenzten, nationalen Ausschreitungen kommt.

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