Balkan-Beats boomen

Auf den Tanzflächen brodelt es: Deutsche und Ex-Jugoslawen bewegen sich ekstatisch zu Klängen aus Osteuropa. Gemixt mit elektronischen Beats mutiert die Musik zum Erfolgsschlager der NRW-Clubs

VON NATALIE WIESMANN

Sie nennen sich Balkan Express, Balkan Beatz oder auch Russendisko. Seit etwa einem Jahr schießen diese Partys auch in NRW wie Pilze aus dem Boden. Der Sound aus Südosteuropa nimmt die Tanzflächen der Clubs ein und bringt das einheimische Publikum zum Kochen.

Im soziokulturellen Zentrum „zakk“ in Düsseldorf legt seit einem Jahr das DJ-Team „Schwarze Kater, weiße Katze“ ihre „Balkan Beatz“ auf. Dazu kommt ab heute Abend der nordrhein-westfälische Ableger der Russendisko von Wladimir Kaminer: Russischstämmige DJs aus Köln starten jetzt in der Landeshauptstadt ihre „Kompott-Party“.

„Es gibt einen klaren Trend zur Musik aus Osteuropa“, sagt Heike Billhardt vom zakk. Zu den Fans, die aus Ex-Jugoslawien oder anderen ehemaligen Ostblockstaaten stammen, mischt sich ein zunehmend junges, „urdeutsches“ Publikum. „Die Musik strahlt eine Lebensfreude aus, der sich kaum jemand entziehen kann“, beschreibt sie die Stimmung. Auf keiner Party würde so exzessiv getanzt. „Es geht weniger ums Sehen und Gesehen werden“, so Billhardt. Niemals zuvor habe sie erlebt, dass Menschen sich so schnell auf die Tanzfläche wagten.

Dabei klingt der Sound dieser Partys für westliche Ohren eigentlich ganz schön exotisch: Folkloristische Bläserkapellen werden mit elektronischen Beats aus Techno oder Drum‘n Bass unterlegt, russische Traditionals paaren sich mit Punkrock oder Ska. Zu diesem Hybrid ist auch der Tanzstil frei wählbar: Die einen hüpfen wild herum, die anderen bewegen in orientalischer Manier ihre Hüften und halten die Arme in die Höhe.

Die Erfolgsgeschichte der Balkan-Gypsy-Musik begann Mitte der 1990er Jahre mit den Filmen des bosnischen Filmemachers Emir Kusturica. Der Blechbläser-Trash, mit dem Musiker Goran Bregovic die Filme „Underground“ und „Schwarzer Kater, weiße Katze“ untermalte, verkaufte sich gut. Auch der Frankfurter DJ Shantel machte die Balkanklänge mit seinem Projekt Bucovina Club vor einigen Jahren populär. Und von Berlin aus kam die Russendisko von Wladimir Kaminer in Mode.

Einer der Vorreiter des Osteuropa-Sounds in NRW ist DJ Kosta Kostov aus Köln. Seit drei Jahren veranstaltet er dort den Balkan Express. „Der Boom ist erst am Anfang“, sagt er. Im Kölner „Gebäude 9“ begann er in einem kleinen Raum mit 100 Besuchern – und musste in einen Saal umziehen, in denen heute 500 Leute zu seiner Musik tanzen. Das Erfolgsrezept ist nach Kostov „die unnachahmliche Leidenschaft und Romantik der Gypsy-Musik, die sich mit fetten Beats mischt“.

Gemeinsam mit Weltmusik-Koryphäe Francis Gay von Funkhaus Europa veranstaltet er alle vier Wochen im Dortmunder Jazz-Club „Domicil“ die „Global Player Party“. Höhepunkt war dort im November 2006 das Balkan-Festival „Mi plesemo“. Zwei Tage lang tobten sich 1.500 Menschen aus, mehrere hundert Tanzwütige mussten abgewiesen werden. „Das ist eine unglaubliche Welle, die sich da nach vorne bewegt“, sagt Gay.