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Bald länger arbeiten?

■ ÖTV protestiert gegen geplante Neuregelung des Arbeitszeitrechts

Stuttgart (AP) – Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr will gegen das von der Bundesregierung geplante Arbeitszeitrecht kämpfen. Die Neuregelung soll eine Sechstagewoche mit bis zu 60 Stunden Arbeitszeit zulassen. Die wöchentliche Arbeitszeit könne sogar auf 70 Stunden ausgedehnt werden, falls, wie etwa im Gesundheitswesen oder im Transport- und Verkehrsbereich, auch sonntags gearbeitet werde, so ÖTV-Vorstandsmitglied Ulla Derwein. Sie kündigte an, die Gewerkschaft werde sich den Gesetzesplänen, die eine brutale Flexibilisierung und rücksichtslose Ausnutzung der Arbeitskraft darstellten, energisch widersetzen.

Heute soll im Bundestagsausschuß für Arbeit und Soziales eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf stattfinden. Dem Entwurf zufolge ergibt sich der Achtstundentag erst im rechnerischen Durchschnitt nach sechs Kalendermonaten. Die tägliche Arbeitszeit soll bis zu zehn Stunden betragen können. Unmittelbar von den Regierungsplänen betroffen seien rund eine Million Arbeitnehmer im Gesundheitswesen und 1,6 Millionen Beschäftigte im Verkehrsbereich, sagte Derwein. Sie warf der Koalition vor, das sozialpolitische Geschichtsrad um 137 Jahre zurückdrehen zu wollen. Bereits im Jahr 1856 seien in der Druckindustrie der Zehnstundentag und die 70-Stunden- Woche durchgesetzt worden. Im Arbeitsministerium wurden die Vorwürfe barsch zurückgewiesen: Das Arbeitszeitgesetz gebe nur einen Rahmen vor, die Arbeitszeitregelung sei dagegen Sache der Sozialpartner.

Nach Ansicht von Bundeskanzler Kohl ist zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland ein Umdenken bei der Frage der Arbeitszeit notwendig. Der Samstag dürfe keine „heilige Kuh“ mehr sein, sagte Kohl gestern auf einer Meisterfeier der Handwerkskammer Karlsruhe. Auch über die Lebensarbeitszeit müsse nachgedacht werden. Unterdessen rechnet der DGB-Vorsitzende Heinz- Werner Meyer 1994 mit Streiks. Die Unternehmer versuchten es der IG Metall zu zeigen und das bewährte Instrument der Tarifautonomie auseinanderzubrechen.

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