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Bald freies Süd-Sudan?

■ Regierung und SPLA-Guerilla in Friedensverhandlungen

London (ips) — Sudans islamische Regierung unter General Omar Hassan el-Beschir und die Rebellen der „Sudanesischen Volksbefreiungsfront“ (SPLA) im christlich und animistisch dominierten Süden des Landes sind bei Geheimgesprächen der Unterzeichnung eines Abkommens nähergekommen. Diplomatische Quellen geben sich zuversichtlich, daß die Verhandlungen in London und Nairobi in der letzten Woche zum Erfolg einer für März in Nigeria geplanten Friedenskonferenz führen werden. Die sudanesische Regierung soll sich ungewöhnlich gesprächsbereit gezeigt haben.

Zu den Grundlinien des Friedensabkommens gehören ein sofortiger Waffenstillstand, Übergangsregelungen für die Verwaltung des Konfliktgebietes und Gespräche über die Beziehungen zwischen Süden und Norden. Sollten die Gespräche nach drei Monaten zu keinem Ergebnis führen, wird die Abhaltung einer Volksabstimmung im Süd-Sudan über eine Konföderation mit dem Norden oder die völlige Unabhängigkeit in Betracht gezogen.

Zwischen der Annäherung des islamischen Nordens an die arabische Welt und der Suche des Südens nach engeren Beziehungen zum Westen und zu Schwarzafrika gebe es keinen Widerspruch, erklärte Abdelwahab el-Effendi, Vertreter der sudanesischen Botschaft in London, letzte Woche. Eine „volle Koexistenz“ dieser beiden Gegebenheiten müsse ermöglicht werden.

„Wir bestreiten das Recht des Südens auf seinen eigenen Lebensstil nicht“, erklärte el-Effendi. „Es gibt eine ideologische Umorientierung innerhalb der islamischen Bewegung. Wir haben keine ideologischen Gegensätze zum Westen. Freiheit ist ein zentrales Prinzip“. Laut el-Effendi soll schon diese Woche mit der Eröffnung eines von der Regierung ernannten 300köpfigen Übergangsparlaments ein Demokratisierungsprozeß beginnen. Das Parlament soll das Recht haben, Minister zu befragen und zu entlassen. Innerhalb der nächsten Wochen soll das Übergangsparlament einen Gesetzesvorschlag über Pressefreiheit und die Zulassung unabhängiger Medieneigentümer annehmen. Bis spätestens Juni sollen Lokalwahlen stattfinden; bis Ende des Jahres sind Wahlen zu den Regionalparlamenten vorgesehen. Ein gewähltes Bundesparlament soll bis dahin das Übergangsparlament ablösen. Politische Parteien sind von den geplanten Wahlen ausgeschlossen.

Als einer der in letzter Zeit häufiger in Erscheinung tretenden islamischen Intellektuellen, die um eine Annäherung an den Westen bemüht sind, fällt es el-Effendi zu, das Image der sudanesischen Regierung aufzupolieren. Doch das Eintreten für Demokratie entspreche nicht den Tönen, die gewöhnlich aus Khartum kommen, merkt die Sudan-Spezialistin an der Villanova-Universität von Philadelphia, Ann Lesh, an. Grund dafür sei, daß die Regierung nicht bereit sei, auch nur die geringste Opposition zu dulden. Die Bilanz der sudanesischen Regierung sei extrem gewalttätig.

Auch SPLA-Sprecher Richard Mulla sagt, das derzeitige „fundamentalistische Regime“ habe mehr Blut vergossen als je eine sudanesische Regierung zuvor. El-Effendi und andere westlich gebildete Intellektuelle, so Lesh, seien nichts weiter als „das freundliche Gesicht“, das der Sudan dem Westen zuwende. „Sie versuchen, dem Westen mit ihren Demokratieversprechen das Fell über die Ohren zu ziehen“, kommentierte ein Oppositionsführer.

In einem kürzlich in London abgehaltenen Treffen traten sudanesische Oppositionsgruppen für den Sturz Präsident el-Beschirs und das Verbot aller religiösen Parteien ein. In Zusammenhang mit den Verhandlungen der SPLA mit der Regierung zeigten sich Meinungsverschiedenheiten.

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