: Bald alle frei?
■ Alle verhafteten Leipziger Oppositionellen sollen in die DDR entlassen werden / Fürbitte in Ost-Berlin
Von den inhaftierten Leipziger Oppositionellen, die sich am Gedenktag für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht für eine demokratische Erneuerung der DDR eingesetzt hatten, waren gestern noch drei in Haft. Wie allerdings aus einer Vorabinformation des Leipziger Superintendanten hervorgeht, sollen auch sie noch im Laufe des gestrigen Abends freigelassen worden sein. Die Ermittlungsverfahren gegen alle 13 Bürgerrechtler wegen angeblicher „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung“ laufe allerdings weiter. In Ost -Berlin hatten sich am Mittwoch abend 250 Menschen zu einem Fürbittgottesdienst versammelt, um gegen die Inhaftierungen und laufenden Ermittlungsverfahren in Leipzig zu protestieren. „Unseren Freunden“, hieß es, „wird vorgeworfen, sie hätten staatliche Tätigkeit beeinträchtigt. Wahr ist aber, daß sie als Mitglieder von kirchlichen Friedens- und Menschenrechtsgruppen verantwortlich an der Umgestaltung unserer Gesellschaft mitarbeiten.“ Sie würden für mehr Frieden eintreten und auch dafür, „daß diese DDR -Gesellschaft endlich menschenfreundlich wird und DDR -Politiker nicht nur leere Versprechungen im internationalen Rahmen abgeben, die im Lande selber ohne Relevanz bleiben“. Bei dem Fürbittgottesdienst wurde, wie auch in anderen DDR -Städten, die Freilassung der Inhaftierten und die Einstellung der Ermittlungsverfahren gefordert. Nicht zuletzt, weil es in Ost-Berlin vor einem Jahr zu einer ähnlichen Verhaftungswelle gekommen war, forderten die Gruppen eine „politische Lösung“, die nicht wieder mit einer Expedierung in den Westen enden darf. Genau wurde noch einmal über die Leipziger Demonstration am Sonntag berichtet. „Als sich der Demozug in Bewegung setzte, sprang ein Mann auf eine Mülltonne und hielt eine kurze Ansprache“, beschrieb einer der Ost-Berliner Teilnehmer, wie es zu der Kundgebung auf dem Leipziger Markt gekommen war. Der Redner habe das staatliche Eingreifen kritisiert und darauf verwiesen, daß „grundlegende Artikel der Verfassung“ wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt seien. Tags darauf sei er verhaftet worden. Die nächste Ost -Berliner Solidaritätsveranstaltung soll kommenden Sonntag um 10 Uhr in der Zionskirche stattfinden.
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