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Bahnchef erträgt SpottBeinahe eine Charmeoffensive

Bahnchef Grube verspricht, das Problem mit den Klimaanlagen zu lösen, erträgt halbwegs souverän den Spott und will die Bahn sympathischer machen.

Hofft immer noch, dass die Bahn sympathischer wird: Bahnchef Grube. Bild: dpa

BERLIN taz | Diese beiden Herren wollen gewiss keine Fragen zur Bilanz der Bahn stellen. Im weißen Bademantel sitzen sie am Mittwoch zwischen den Journalisten im Berliner Maritim-Hotel, lassen den Vorstandsvorsitzenden und den Finanzvorstand der Deutschen Bahn AG brav über Umsätze, Vorsteuerergebnisse und strategische Offensiven aller Art parlieren. Dann stellen sie sich in die Mitte des Raums und ergreifen das Wort. "Mein Name ist Schlegl vom Deutschen Saunaverband", stellt sich der eine vor. Neben ihm stehe einer der Schüler, der vor gut zwei Wochen bei 50 bis 70 Grad Hitze in einem ICE kollabiert war. "Wir möchten Ihnen den Innovationspreis für die beste Saunaidee 2010 verleihen - die rollende Sauna", sagt Schlegl, der im wahren Leben das Satiremagazin "Extra Drei" im NDR moderiert. Er übergibt dem Bahnchef Rüdiger Grube das goldene Handtuch, dieser bleibt entspannt und sagt nur: "Der Hintergrund ist ja kein erfreulicher. Von daher freue ich mich nicht."

374.000 Euro ausgezahlt

Grubes Vorgänger Mehdorn hätte mit wütendem Gesicht und patziger Antwort reagiert, der neue Vorstandsvorsitzende kommt noch nicht mal ins Schwitzen. Denn ihm ist klar, dass er nicht darum herum kommt, noch einmal zu den kaputten Klimaanlagen Stellung zu nehmen. Er hat sich vorbereitet, spricht etwas ungelenk gleich zu Beginn davon, dass diese Pannen "ein herber Rückschlag in unserem Bemühen waren, die Bahn zu einem sympathischeren Unternehmen zu machen."

Die Bahn-Bilanz

Umsatz: Die Deutsche Bahn AG hat die Wirtschaftskrise offenbar verdaut. Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr um knapp 13 Prozent auf gut 16 Milliarden Euro, das operative Ergebnis sogar um 26 Prozent auf 846 Millionen Euro.

Nahverkehr: Den größten Beitrag zum Gewinn brachte der hochsubventionierte Regionalverkehr, mit dem die Bahn 420 Millionen Euro verdiente. Das waren aber knapp acht Prozent weniger als im Vorjahr. Grund sind die Probleme bei der Berliner S-Bahn.

Fernverkehr: Die Bahn profitierte von den Ausfällen im Flugverkehr durch die Vulkanasche aus Island. Hier stieg das Ergebnis um 40 Prozent auf 80 Millionen Euro.

Logistik: Die weltweite Konjunkturerholung sorgte für bessere Ergebnisse bei der Logistiktochter Schenker. Durch steigende Flug- und Seefrachten verdreifachte sich das Ergebnis fast auf 110 Millionen Euro. Der Schienengüterverkehr verdiente gut 100 Millionen Euro mehr, blieb aber noch immer mit 19 Millionen Euro im Minus.

Er argumentiert technisch mit Kühlflüssigkeiten, Druckwächtern und Verdichtern. Er dankt den Mitarbeitern, die in den Hitzezügen ihren Dienst getan haben, sagt aber nichts zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen das Zugpersonal. Er klagt über die engen Wartungsintervalle für ICEs, weil dadurch Reservezüge fehlten. Er sagt aber nicht, dass das Eisenbahnbundesamt nach dem Achsbruch bei einem ICE einen guten Grund für strengere Auflagen hatte. Und er verweist stolz auf die 374.000 Euro, die bereits an 5.627 Fahrgäste als Entschädigung gezahlt wurden und verschweigt, dass die Bahn die betroffenen Kunden zunächst nur mit Reisegutscheinen abspeisen wollte und erst nach der großen öffentlichen Kritik großzügiger wurde.

Doch was will die Bahn tun, damit sich bei der nächsten Hitzewelle Chaos und Kollaps nicht wiederholt? Bei dieser Frage bleibt Grube vage. Die Klimaanlagen würden künftig so eingestellt, dass sie die Wagen nur noch auf 21 Grad statt auf 19 Grad kühlten. Das soll die Technik entlasten, die von einem mittlerweile insolventen britischen Hersteller stammt. Die Wärmetauscher werden nun mit heißem Wasser gereinigt statt mit kaltem, damit weniger Dreck ins System kommt. Dass die Klimaanlagen aber ausgetauscht werden, will Grube noch nicht versprechen. Denn ob bei der anstehenden Generalüberholung der ICE2-Züge auch die Energieversorgung und die Klimaanlagen einbezogen werden, werde derzeit noch geprüft, sagt der Bahnchef.

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9 Kommentare

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  • ZI
    Zufrieden im ICE

    @ Martha

    Ich fahre mehrfach pro Woche ICE. Es ist wirklich häufig zu kalt.

    Ich frage dann üblicherweise den Schaffner, ob er die Klimaanlage bitte etwas wärmer stellen könnte. Überhaupt kein Problem, bislang mußte ich nie lange frieren.

    Nur - wenn keiner was sagt, passiert auch nichts. Eigentlich doch logisch, oder?

  • F
    Florian

    > Die Klimaanlagen würden künftig so eingestellt, dass sie die Wagen nur noch auf 21 Grad statt auf 19 Grad kühlten.

     

    Jaja, die Klimaanlage auf 19 Grad bei T-Shirt-Wetter und die Heizung auf 23 Grad, wenn alle Menschen Winterjacken tragen. Leider ist die Bahn nicht das einzige Unternehmen, das solchen Schwachsinn macht. Auch in vielen Kaufhäusern werden die Kunden mit solchem Temperatur-Terror vertrieben. Aber alle meckern über hohe Energiepreise.

  • J
    Jan

    @systemix

    Die Bahn zeigt genau an, was eine IC- und eine ICE-Fahrt von Göttingen nach Hannover (Tipp: ICE kostet auch hier mehr; auch Metronom ist möglich) kostet. Was das mit Greußen sollte, keine Ahnung: dass mehr Kilometer auch mehr kosten, liegt für mich auf der Hand. Was sollte der Fahrdienstleiter auch machen? Den Zug zurückholen? Es gibt relativ unbürokratisch viele Taxigutscheine zum weiterkommen. Bei solchen Kunden-Vorkenntnissen/Vorurteilen ist es als Unternehmen schwer, irgendwas richtig zu machen. Wann sind Sie das letzte Mal Zug gefahren? Mit der Reichsbahn?

  • J
    Jan

    @Friedhelm Weidelich

    Der Mann, der Grube die Schau gestohlen hat, heißt Schlegl. (http://de.wikipedia.org/wiki/Tobias_Schlegl) Als gelernter Rechercheur und breit gebildeter Mann mit Fachkenntnissen kann das doch nicht so schwer sein. Oh Mann, Doofnörgeln von tatkräftigen Machern mit Hintergrund. Namen rausfinden ist doch das Brot-und-Butter-Geschäft von allgemeinverständlichen Technikjournalisten, denen das doch in ihrem Beruf sehr oft hilft. Aber das habe ich nur geglaubt, voraussetzen kann man das leider nicht mehr.

  • A
    alcibiades

    Wieso ging eigentlich das britische Unternehmen in die Insolvenz, das den Grossauftrag der DB in der Tasche hatte? Mal wieder den billigsten Dumpinganbieter genommen, der dann bei der kleinsten Regress- oder Nachbesserungsforderung in die Bredouille kommt? Jetzt ist das natürlich eine wohlfeile Ausrede für Herrn Grube, Schwierigkeiten beim Nachbessern zu begründen.

    Kann da mal wer nachrecherchieren?

  • S
    systemix

    Als ob es bei der Deutschen Bahn AG allein nur um Klimaanlagen in ICE-Zügen ginge. Die Unzufriedenheit und Verärgerung über die ehemalige "Bundes-Reichsbahn" hat eine lange Tradition. Sie reicht zurück in eine Zeit, als der Fahrgast lästig war, weil er sich nicht so gut transportieren ließ, wie Stückgut. Auch besitzen Fahrgäste etwas, das Eisenbahner hassen wie der Teufel das Weihwasser. Sie stellen Fragen, stören mit Sonderwünschen den Geschäftsablauf. Obwohl die Bahn kaum noch Viehtransporte ausführt, so sieht sie doch in ihren Reisenden Weihnachtsgänse, die ausgenommen werden müssen. Kaum ein Kunde weiß, dass er als Göttinger für ein ICE Ticket nach Hannover weniger bezahlt, als sein Mitreisender, der aus dem thüringischen Greußen kommt und in Göttingen umgestiegen ist. Der Greußener muss einen Aufschlag bezahlen, weil er durch die Nutzung des ICE einen Zeitvorteil erhält. Es gibt weitere Beispiele für solches unseriöses Geschäftsgebaren.

     

    Auch die alte Fahrdienstleiterregel: "Züge, die abgefahren sind, kommen nicht wieder", hat schon manchem Reisenden Aufenthalte in abgelegenen Gegenden verschafft und ihn nach einem Geldautomaten suchen lassen, damit er das Taxi nach Hause bezahlen konnte. Nachträgliche Reisegutscheine helfen da nicht.

     

    Es ist das absolute selbstherrliche Hoheitsdenken, was die Bahn so unbeliebt macht. Stiefkind einer Wohlstandsgesellschaft, mit zusätzlichem Ballast seitens der Automobillobby versehen, hat sie glücklicherweise nicht das Schicksal der amerikanischen Eisenbahngesellschaften erfahren, doch die geringe Wertschätzung in der automobilen Gesellschaft beförderte auch ein Abschotten und das führte zu jener fehlenden Unternehmenstransparenz, die sich in Abwandlung eines altes DDR - Zitates wie folgt beschreiben lässt: "Deutsche Bahn AG - hier sind Sie bedient, bevor Sie bedient werden."

  • M
    Martha

    Da Sie es erwähnen: Kühlung auf (nur) 23 Grad im Sommer wäre schon völlig ausreichend. Das klingt vielleicht banal, aber ich neige dazu, mich der Witterung entsprechen zu kleiden. Was hab ich da im Sommer schon gefroren im ICE und mich schon erkältet! Ich nehm jetzt immer Pullover und Halstuch mit. Das ist zwar lästig und wirkt auch albern, ist aber wirksam.

  • M
    Matt

    Ich muss zugeben, ich habe den tieferen Sinn dieses Artikels nicht ganz verstanden. Ging es nun um den Satirepreis, um Grube oder darum, dass er sich und die Bahn in der Pressekonferenz nicht selbst auseinander nahm? Oder um alles? Oder doch nichts? Ich weiß es nicht.

     

    Vielleicht brauchte man nur mal wieder etwas negatives über die Bahn zu berichten.

  • FW
    Friedhelm Weidelich

    Der Mann, der Grube die Schau gestohlen hat, heißt Schlegel. Aber richtig geschriebene Namen kann man bei Agenturen und Kollegen leider nicht mehr voraussetzen.

    Grube versuchte auch hier, sich als tatkräftiger Macher zu inszenieren. In Wirklichkeit ist er ein Zauderer, der alles und nichts Konkretes zusagt, wie etwa den raschen Austausch der ganz offensichtlich viel zu klein dimensionierten und veralteten Klimaanlagen, um endlich Ruhe zu haben. Die überfällige Bestellung von bis zu 300 ICx-Zügen zögert er hinaus, weil er mit Siemens weiter um den niedrigsten Preis pokert. So wollte er vor ein paar Wochen noch die über 30 Jahre alten IC-Wagen aufhübschen, was billiger ist. Grube ist keiner, der kundenfreundliche Lösungen sucht und rasch durchsetzt. Durch die Beschäftigung mit zu vielen Details hat er m. E. den Überblick verloren und keine klare Linie im immer wieder zitierten Kernmarkt Deutschland, sein angebliches Brot-und-Butter-Geschäft, das es so schlimm vernachlässigt. Wie ich ihn einschätze, habe ich in meinem Eisenbahn-Blog http://railomotive.com/2010/07/absolutes-stillschweigen-aufgrund-der-brisanz/ beschrieben.