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Bahn zieht Notbremse in Richtung München

■ Bahn AG bricht Planfeststellungsverfahren zur „Anhalter Bahn“ durch Steglitz ab. Verzögerung um mindestens ein Jahr

Der Bau der wichtigsten Fernbahnstrecke nach Süden verzögert sich um mindestens ein Jahr. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat die Deutsche Bahn AG das Planfeststellungsverfahren für die sogenannte „Anhalter Bahn“ nach München im Juli abgebrochen. Das hat eine Sprecherin der „DB Projekt GmbH Knoten Berlin“ auf Anfrage der taz bestätigt. Ende Oktober soll nun ein neues Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Die Bahn rechnet mit Verzögerungen von „zwölf bis fünfzehn Monaten“ und einem Baubeginn auf der Strecke nicht vor dem Jahr 1999.

Als Gründe für den überraschenden Abbruch des Verfahrens nennt die Bahn „Umplanungen an der Entwässerung und an Brückenkonstruktionen“, die auf Wünsche Berlins zurückgingen. Die umstrittene Frage des Lärmschutzes, der nach Meinung des Bezirks mangelhaft war, sei „einer der Gründe, aber nicht ausschlaggebend“ für die Notbremsung im Planverfahren gewesen. Die fristgemäße Anbindung der Strecke an den havarierten Tiergartentunnel gerate durch die Verzögerung nicht in Gefahr, so die Bahn.

„Die Vertreter der Bahn haben uns vom Abbruch des Verfahrens unterrichtet“, sagte der Steglitzer bündnisgrüne Stadtrat für Wirtschaft und Finanzen, Udo Bensel. Gründe hätten die Vertreter der Bahn nicht angeführt, doch er nimmt an, daß sie „vor einem Rechtsstreit mit dem Bezirk und den Anwohnern wegen der Lärmbelästigung resigniert“ haben. Von einem neuen Planfeststellungsverfahren „wissen wir hier nichts“, sagte Bensel. In einer Wiederauflage des Verfahren müssen alle Einwendungen der Anwohner und des Bezirksamtes erneut berücksichtigt werden.

Die Planung der „Anhalter Bahn“ war lange umstritten. Das Bezirksamt Steglitz und die Bürgerinitiative „Lichterfelde Süd“ hatten sich gegen den ihrer Meinung nach unzureichenden Lärmschutz gewehrt. Da der Neubau der Strecke über Lichterfelde und Teltow auf einer Trasse aus den 30er Jahren geplant wird, bestand die Bahn darauf, nur für die Elektrifizierung und für kleinere Abweichungen von der Trasse ein Planfeststellungsverfahren einzuleiten. Auf der Strecke, die als Nord-Süd-Verbindung des geplanten Pilzkonzeptes dienen soll, wird mit 150 Hochgeschwindigkeitszügen pro Tag gerechnet.

Den vorläufigen Abbruch des Verfahrens könnte nach Meinung von Bensel eine Intervention aus Bonn bewirkt haben. Denn auf dem Gelände der ehemaligen „Geisterstadt“ der US Army in Lichterfelde-Süd will die Bahn insgesamt 3.000 Wohnungen direkt an der Bahnstrecke bauen. Etwa ein Drittel des 110 Hektar großen Geländes hat der Bund gekauft, der dort laut Bensel „Einfamilienhäuser für gutsituierte Bundesbedienstete“ errichten will. Diese Beamten würden sich durch den kaum gedämpften Lärm der ICEs im Drei-Minuten-Abstand „wohl beim Nachdenken gestört fühlen“, so Bensel. Bernhard Pötter

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