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Bahn verhängt Baustopp"Stuttgart 21" hat Pause

Die Deutsche Bahn verhängt vorerst einen Baustopp für das umstrittene Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21". Grüne, SPD und Aktionsbündnis zeigen sich erfreut.

So schnell kann's gehen: Das umstrittene "S21" ist erstmal gestoppt. Bild: dpa

Stuttgart/Berlin dapd/dpa | Die Deutsche Bahn (DB) hat einen Bau- und Vergabestopp für das umstrittene Projekt "Stuttgart 21" erlassen. "Bis zur Konstituierung der neuen Landesregierung wird die DB beim Bahnprojekt 'Stuttgart 21' keine neuen Fakten schaffen - weder in baulicher Hinsicht noch bezüglich der Vergabe von Aufträgen", sagte Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer am Dienstag in Berlin. SPD und Grüne, die bei der Landtagswahl am Sonntag eine Mehrheit errungen hatten, bewerteten die Maßnahme positiv.

Unabhängig vom Bau- und Vergabestopp gelte der mit den Projektpartnern geschlossene Vertrag aber uneingeschränkt. "Schließlich ist das Land Baden-Württemberg und nicht die jeweilige Landesregierung unser Vertragspartner", erklärte Kefer. Es werde zudem weiterhin mit Hochdruck an dem im Schlichterspruch vereinbarten Stresstest gearbeitet. Die Bahn kündigte an, voraussichtlich im Mai, wenn sich die neue Landesregierung konstituiert habe, "unmittelbar mit den dann Verantwortlichen offiziell das Gespräch" zu suchen.

Grüne und SPD begrüßen Bau- und Vergabestopp

Der Grünen-Verkehrsexperte Werner Wölfle sagte, dass die Botschaft des Wählers offenbar beim Bahnkonzern angekommen sei. Allerdings forderte er, den Bau- und Vergabestopp zu verlängern, bis der Stresstest durchgeführt sei und Klarheit über mögliche Nachbesserungen und Mehrkosten bei dem Bahnprojekt bestehe. Die neue Landesregierung und DB müssten sich deshalb bald zu Gesprächen treffen. Ob er als Kabinettsmitglied an dieser Gesprächsrunde teilnehmen werde, liege in der Entscheidung des designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).

Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen "Stuttgart 21", Hannes Rockenbauch, zeigte sich erfreut über die Entscheidung. Es sei "erstmal ein Erfolg", doch die Forderung nach einem "grundsätzlichen Baustopp" bleibe bestehen. Der Stuttgarter Stadtrat sagte, es sei nach dem "klaren Auftrag der Bürger für einen Wechsel" im Land das "einzig Richtige, was die Bahn machen konnte". Nun müsse noch einmal "grundsätzlich über das Projekt nachgedacht werden".

Auch die baden-württembergische SPD begrüßte die Entscheidung. "Es ist sinnvoll, dass die Bahn die weitere Entwicklung abwarten will", sagte SPD-Landeschef und Landtagsfraktionsvize Nils Schmid am Dienstag nach Angaben eines Fraktionssprechers. Er fügte hinzu: "Die SPD setzt weiterhin darauf, die Bürger über Stuttgart 21 entscheiden zu lassen." Die SPD hat bisher den Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und die Anbindung an die geplante Schnellbahntrasse nach Ulm unterstützt. Angesichts der monatelangen Konflikte streben die Sozialdemokraten aber gemeinsam mit den Grünen einen Volksentscheid über das Milliardenprojekt an.

SPD und Grüne hatten nach ihrem Wahlsieg angekündigt, sich für einen Baustopp einzusetzen, bis der in der Schlichtung vereinbarte Stresstest vorliege. Sobald alle Fakten zu "Stuttgart 21" auf dem Tisch liegen, wollen beide Parteien eine Volksabstimmung über das Projekt durchführen lassen. Die Grünen lehnen das Projekt ab, die SPD hingegen möchte "Stuttgart 21" bauen lassen.

Verkehrsministerium zeigt sich wenig überrascht

Das Verkehrsministerium, das seit der Wahl von Tanja Gönner (CDU) geschäftsführend geleitet wird, zeigte sich wenig überrascht über die Ankündigung. Die Bahn werde nur das machen, was sie seit Beginn der Schlichtung auch tue, sagte ein Sprecher. Es handele sich nach Auffassung des Ministeriums um einen Vergabestopp und um keinen Baustopp. Die Bahn realisiere bei dem Projekt derzeit nur das, was vertraglich und baulich gemacht werden müsse, damit man zeitlich nicht zu sehr in Verzug komme, da dies hohe Kosten verursache. Die Linie sei jedoch gewesen, bis zur Landtagswahl keine neuen Fakten zu schaffen.

Bei dem Projekt soll der Stuttgarter Hauptbahnhof für mehr als vier Milliarden Euro von einem Kopf- in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden. Gegen "Stuttgart 21" gibt es seit Monaten heftige Proteste; zuletzt waren am Montag in Stuttgart mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen.

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12 Kommentare

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  • MF
    Marcela Feudel

    @Fordler

    Das ist kein "genialer Schachzug". Ich würde das eher Schadensbegrenzung nennen. Mit den Grünen wird S21 noch unwahrscheinlicher als vor der Wahl. Aber auch vor der Wahl war ich sicher: S21 wird nie gebaut. Dafür gibt es hier viel zu viele entschlossene Bürger, die, wenn es sein muss, bereit sind, die Bauarbeiten über Jahre immer wieder zu blockieren, bis der Bahn klar wird, dass sie keine Chance haben.

    Es ist auch auffällig, dass die Bauarbeiten nach dem blutigen Donnerstag nur sehr zögerlich vorangetrieben wurden. Ich bin mir ganz sicher, dass es auch auf Befürworterseite eine Menge Leute gibt, die froh sind, wenn man da irgendwie ohne Gesichtsverlust wieder herauskommen könnte.

  • KP
    Karl Pfaff

    Stuttgart feiert. Stuttgart 21 ist tot. Schon im November gaben sich die Bahnvorstände zurückhaltender, als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. In den letzten Wochen waren schon die Baustellen nahezu verwaist. Die Vergabe von Tunnelbauarbeiten wurde zum Schluss auf unbestimmte Zeit verschoben, das Eisenbahnbundesamt kassierte eine Planvorlage nach der anderen. Heute wurden schon in großem Stil Baumaschinen abgezogen. Wir planen bereits schon den Wiederaufbau des Nordflügels und pflanzen Bäume.

    Nicht "Chaoten" haben S21 erledigt, das hat die Bahn schon ganz allein getan (mit ein wenig Hilfe der Parkschützer). Allein die Baden-Württemberger Landesregierung hatte dies nicht erkannt. Jetzt ist die Zeit über die wichtigen Bahnprojekte des Landes zu sprechen: Sanierung des Kopfbahnhofs und Ausbau der Rheintalschiene.

  • F
    Fordler

    Leider haben hier die Gegner von S21 den genialen Schachzug der Bahn nicht verstanden. Die zukünftige Regierung von BW überlegt jetzt schon fieberhaft, wie sie ihren Wählern beibringen kann, daß das Projekt nicht zu stoppen ist. Weder rechtlich noch politisch. Und nun kommt die Bahn daher und ruft einen Baustopp bis zur Konstituierung des neuen Landtags aus.

    Das nimmt Grün/Rot nun die letzte Ausrede und die Möglichkeit sich hinter von Schwarz/Gelb geschaffenen Fakten (von heute bis zur Konstituierung) zu verstecken. Das nenne ich genial!!

  • E
    ElToRo

    Mein Leben wird von der Durchführung und vom Abbruch des Projektes nicht beeinflusst, aber wichtig ist, dass man die Menschen in BW nicht ignoriert. Darum ist ein Volksentscheid richtig und ein entsprechendes Verfahren nach Abstimmungsergebnis in jedem Falle gerecht. Hier stehen wir nur dank der Abwahl der CDU.

    Bürsten-Willi wirds richten.

     

    Btw. Wenn Fr. Merkel als Wendehals bezeichnet wird, wäre ein konsequenter Sturkopf wie Mappus besser? :)

  • E
    Eisvogel

    Was meint Ihr Jubelperser denn wer die zu erwartenden Vertragsstrafen wegen fehlender Planungssicherheit seitens des Landes zu bezahlen hat? Ganz genau: Ihr, wir, alle. Nicht die CDU.

  • GS
    Gegen S-21

    Und die Oberwendehälsin Angela Merkel fedelt bändelt derweil mit den Grünen im Bundestag an.

    Die Frau M. verkörpert so richtig das ach so christlich angehauchte Establishement der DDR-*Christen*. Falsch bis zum geht-nicht-mehr.

    Aber es gibt schließlich auf oberdoofe Schwaben und Badenser, die die CDU erneut gewählt haben.

    Die und Merkel: bitte auf ewig Platz nehmen in Fukushima. Dort können sie dann sich aus-strahlen.

    Frau Angela Merkel ist für mich eine charakterlose Frau. Die spielt mit Menschen und benutzt diese. Gegen rechts hat man Frau Merkel auch noch nie sich engagieren sehen, geschweige denn gehört oder gelesen, dass sich A. Merkel gegen rechts positioniert. Was, wenn die Rechten in den Bundestag einzögen? Koaliert dann Merkel mit rechts? Gruselig, allein die Vorstellung darüber, wie flexibel Merkel bisher die Seiten gewechselt hat.

  • H
    Heiko

    @Steffen/Seim/CassXI und Thomas Krieger:

     

    Danke der Proteste von den Bürgern Stuttgarts gab es erstmalig in der Geschichte eine Schlichtung bei welcher unter anderem Planungsmängel in einem Umfang ans Licht gekommen sind, welche dem "bestgeplanten" Bahnhof mehr als deutlich entgegensprechen.

     

    Stuttgart21PLUS wie es von Geissler kundgetan (CDU-Mitglied!) ist mehr als eine Änderung. Ein oder zwei zusätzliche Gleise um die geforderten 30% mehr an Zügen zu realisieren ist praktisch eine Bankrotterklärung der bisherigen Planung der Bahn.

    Sie haben einfach kein Platz für diese Gleise.

     

    Desweiteren wollte die DB Ende der 90er Jahre das ganz eh wegen zu hoher Kosten und der nicht ausreichenden Kapazität abblasen. Nur die Herrschenden wollten sich das geplante Superkaufhaus und Co. auf dem freiwerdenden Flächen nicht nehmen lassen.

     

    P.S.1 Die Sollbruchstelle lag 2009 noch bei 4,5 Milliarden Euro. Lt. dem Bundesrechnungshof sind es aber min. 5.3 Milliarden Euro...also wäre der Stop doch auch gerechtfertigt.

     

    P.S.2 Früher hat die Bahn erst gebaut, wenn alle Baufreigaben von den Behörden erteilt werden. Heuzutage wird schon gebaut ob überhaupt nicht sicher ist, ob die Zulaufstrecken für S21 überhaupt genehmigt werden können.

     

    Baut ihr ein Haus auf ein Grundstück wo ihr noch keine Erlaubnis habt, daß ihr über das davorliegende Grundstück eine Straße bauen dürft?

    Kein normaler Bauhher würde das tun...kein normaler Bauherr..

     

    Hier

  • A
    A.J.F.

    Ich habe die Schlichtung aufmerksam verfolgt. Kefer und Gönner wirkten sehr oft arrogant.

    Dass die Bahn und Kefer jetzt einlenken, deutet darauf hin, dass der "Stresstest" nichts Gutes für sie ergeben wird.

    Ein Sieg der neuen Demokratie.

    Obwohl der Schiedsspruch von Geißler eindeutig zu Gunsten der Befürfworter von Stuttgart 21 auzulegen war, wird jetzt trotzdem alles gut. Der Bahnhof wird oben bleiben. Mit oder ohne Volksentscheid.

  • TK
    Thomas Krieger

    Nun knickt die Bahn vor den Chaoten ein !

  • C
    CassXI

    Stuttgart 21 wird gebaut und der Volksentscheid spielt den grünen Wendehälsen nur zu.

  • S
    Seim

    Der Bahn-Vorstand hob zugleich allerdings hervor, dass die DB von der uneingeschränkten Gültigkeit der zu dem Projekt geschlossenen Verträge ausgehe.

     

    Und genau deswegen werden die Grünen ihrem Wahlerfolg nicht gerecht.

  • S
    Steffen

    Und in der Umfrage ist dann die Mehrheit der BWler für S21 und SPD und Grüne lassen bauen.

     

    Am Ende fragt man sich ob man hier im falschen Film ist und die Proteste reiner Wahlkampf und Volksverarschung .... welche nebenbei Millionen Euro verschlungen hat ....

     

    Mit dem Geld hätte man lieber Notleidenden helfen sollen anstatt dieses Kasperletheater zu finanzieren.