■ 12 Jahre ZGF - eine „Abrechnung“: Back to the roots
Ursel Kerstein geht. Sang- und klanglos. „Das stört keinen großen Geist“ sagt manche(r) mit Karlsson vom Dach. Mich schon, vor allem das Wie. Als Ursel Kerstein ihre Arbeit als erste Landesfrauenbeauftragte vor zwölf Jahren begann, gab es buchstäblich nichts: keine Räume, keine Stellen, so gut wie keine Vernetzung von Frauen. Stattdessen jede Menge Männer- Seilschaften und Skepsis, ob diese „Bremische Zentralstelle“ mit dem unaussprechlichen Namen irgendetwas würde erreichen können.
Keine zwei Jahre später hatte sie sich mit Erfolg in nahezu allen Senatsressorts unbeliebt gemacht: mit ernstzunehmenden Kampagnen gegen Frauendiskriminierung, mit öffentlicher Kritik, mit parteilichem Mut. Die ZGF entwickelte sich zu der Anlaufstelle für Frauen in Bremen. Ursel Kerstein war es, die bei plötzlichen Attacken gegen Frauenprojekte ihren Kopf hinhielt. Sie half in Fällen individueller Diskriminierung ebenso wie bei der Entwicklung neuer Konzepte. Es wurde selbstverständlich in der Frauenszene, von der ZGF Unterstützung, Initiative, Vernetzung und – last not least – Druck auf Öffentlichkeit und Politik zu erwarten. Eine Erwartung, die sich auch mit Ursel Kersteins Persönlich- keit verband. Sie war eben nicht „bloß“ frauenpolitisch engagiert; sie war imstande, die „kesse Lola“ zu singen und mit Ironie und Warmherzigkeit die Männer, sich selbst und uns alle auf die Schippe zu nehmen. Sie war gerade keine „Frauen- Funktionärin“, sondern stand mit ihrer Person, ihrer Lebens- erfahrung und ihrem Humor zu dem, was sie „von Berufs wegen“ tat.
Auch deshalb halte ich es für ein Zeichen politischer Unkultur und für unwürdig, wie das Ende ihrer Amtszeit in dieser Stadt faktisch „ausgesessen“ wurde – ohne ein offenes Wort, ohne „Sang und Klang“. Es muß bitter für sie sein zu sehen, daß von ihrer erfolgreichen Arbeit faktisch nichts übrig geblieben ist – auch wenn sie dieses Schicksal mit den Frauenministerien anderer Bundesländer teilt. Es war ein Irrtum der in den Gleichstellungsstellen arbeitenden Frauen zu denken, daß die unmittelbare Teilhabe an der Exekutive ihre Macht, Fraueninteressen durchzusetzen, vergrößern würde. Dieser Irrtum führte in Bremen dazu, daß die ZGF 1991 ihre Eigenständigkeit aufgab und in das Senatsressort „Arbeit und Frauen“ integriert wurde. Das konnte nicht funktionieren und es hat auch nicht funktioniert.
Abgesehen von der ständigen Einbindung in das „Machbare“ scheitert Frauenpolitik (und nicht nur die, aber die besonders offensichtlich) am Ressortdenken. Die Exekutive ist fachpolitisch organisiert; Frauen sind aber kein „Fach“, und deshalb muß jedes Frauenressort in die Politik der anderen Ressorts hineinregieren. Die Zäune um die Ressortvorgärten aber sind hoch und werden eifersüchtig bewacht. Von einer eigenständigen Antidiskriminierungsstelle muß „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ gerade noch und zähneknirschend hingenommen werden – von einem „fremden“ Ressort keinesfalls.
Deswegen verlor die – nur noch formal existierende – ZGF ihre ursprüngliche Kraft und Qualität. Sie wurde zahnlos. Übrig blieb eine Landesfrauenbeauftragte, die ihre originäre politische Funktion nur noch dem Namen nach wahrnehmen konnte. Was Wunder, wenn die Frage nach dem künftigen Status der ZGF nur noch ein resigniertes Achselzucken bei vielen aktiven Bremer Frauen hervorruft.
Es ist allerhöchste Zeit, die ZGF als starke, unabhängige Interessenvertretung für Frauen zu re-etablieren; unabhängig von Ressortegoismen wie von Parteikungeleien. Gegen back- lash und frauenpolitisches Rollback sind politische Bündelung und organisierte Durchsetzung gemeinsamer Ziele notwendiger denn je. Genau darum hat Ursel Kerstein sich jahrelang bemüht. In diesem Sinne: back to the roots.. Katja Barloschky,
Fraueninitiative Quirl
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