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Bachelor macht keine ReiselustZahl der Austauschstudenten stagniert

Der Bachelor sollte den Studierenden das Reisen leichter machen. Doch nach einem kurzen Boom ist die Reiselust vergangen - weil der neue Studiengang "Freiräume verschließt".

Studieren im Ausland kann so schön sein...nach Deutschland kommen aber immer weniger Wandervögel-Studenten. Bild: dpa

Europas Studierende sollten heiter reisen. Dafür wurde extra die größte Studienreform seit der Erfindung der modernen Universität begonnen, die Einführung von Bachelorstudiengängen bis zum Ural. An Deutschlands Unis scheint die Reform aber nach hinten loszugehen. Statt der erwarteten Mobilitätsexplosion in Deutschland stagnieren die Zahlen der deutschen Studis, die ins Ausland streben - angeblich weil der Bachelor sie daran hindert.

Von 2000 bis 2005 stiegen die Zahlen der studentischen Wandervögel kontinuierlich an. Um insgesamt 69 Prozent ging es hoch auf knapp 24.000 Studierende. Im Jahr 2006 die Stagnation, erstmals verharrte die Zahl der Studierenden, die mit dem Erasmus-Programm ins Ausland gehen.

"Zwar sind Deutschlands Studierende im Vergleich zu anderen Industrieländern durchaus mobil, aber die neuen Trends lassen uns aufschrecken", sagte Stefan Hormuth, Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.

Für deutsche Studierende sieht der DAAD in der mangelhaften Umsetzung des Bologna-Prozesses zur Reform der europäischen Hochschulen das größte Mobilitätshindernis: "Die neuen Studiengänge Bachelor und Master haben viele Freiheitsräume für Studierende verschlossen", sagte DAAD-Generalsekretär Christian Bode. "Die Möglichkeiten, spontan oder längerfristig ins Ausland zu gehen, sind in der heutigen Studienstruktur oft nicht mehr gegeben."

Erklärtes Ziel der europäischen Bildungsminister ist aber, im Rahmen des Bologna-Prozesses die Mobilitätsquoten der Studierenden zu erhöhen. Daher will der DAAD jetzt mit seinem Aktionsprogramm "Qualität durch Internationalität" in die Offensive gehen: Bis 2012 soll jeder zweite Studierende in Deutschland einen längeren Auslandsaufenthalt in seinem Studium realisieren. Bislang geht etwa ein Drittel aller Studierenden länger ins Ausland.

Um aus den Studierenden die erhoffte Reiselust zu kitzeln, will der Austauschdienst den Hochschulen unter die Arme greifen. Auch die Politik soll helfen - und mehr Geld geben. Dazu will sich der Austausch-Chef Hormuth sogar auf ungewohntes Terrain begeben - und im nächsten Bundestagswahlkampf aktiv mitmischen: "Wir werden fragen, was eigentlich wichtiger ist: Bildung oder die Pendlerpauschale."

Ebenfalls gestoppt ist der Wachstumstrend bei ausländischen Studierenden an deutschen Unis: Hier waren zwischen 2000 und 2006 knapp 68 Prozent zusätzliche Studierende an Deutschlands Hochschulen gekommen. 2007 das gleiche Bild: Erstmals sind auch hier die Zahlen wieder - wenn auch nur leicht - rückläufig. Der Wachstumstrend ist gestoppt.

Generalsekretär Bode bedauerte das. "Nach sehr positiven Jahren verlieren wir gegen die internationale Konkurrenz wieder deutlich an Boden. Die großen Wachstumsraten auf dem internationalen Bildungsmarkt sind zuletzt an Deutschland vorbeigegangen - das drückt sich in der Mobilität aus."

Eine im Vergleich noch zu schlechte Ausbildungsqualität an deutschen Unis und eine zunehmende Begrenzung von Studienplätzen für ausländische StudienplatzbewerberInnen seien die Hauptursachen für das nachlassende Interesse von Gaststudierenden am Studienaufenthalt in Deutschland.

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2 Kommentare

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  • SW
    Steve Wolter

    Liebe taz, sehr geehrter Herr Kaul, liebe Marike,

     

    es ist nicht ganz richtig, dass es vor allem die mangelhafte Umsetzung des Bologna sei, die die Studierenden vom Auslandsaufenthalt abhält. Das Geld ist natürlich ein Problem, kann aber kaum die Hauptursache sein, denn Geld gabs ja noch nie wirklich. In meiner Tätigkeit als Fachschaftler habe ich in den letzten Jahren vor allem eines gesehen: Die Studenten werden durch gesellschaftlichen Druck immer stärker darauf fokussieren, ihr Studium in Regelstudienzeit durchzuziehen. Das ist eine Zeit, die zu Diplom-/Magisterzeiten an fast allen Fakultäten utopisch war. Heute wird sie aber, bei gleichen Inhalten, immer mehr zur Regel. Studenten, die aber das Ziel haben, in Regelstudienzeit fertig zu werden, können sich den (natürlich immer aus der Bahn werfenden) Auslandsaufenthalt nicht leisten.

     

    Diese Verschnellerung des Studiums kann man auf der einen Seite der deutschen Umsetzung von Bologna anrechnen, denn zur Mitte des Studiums wurde dadurch die Eingangsprüfung zum Master eingeführt, in der Formalien wie Regelstudienzeiterfüllung oft eine größere Rolle spielt als akademische Leistungen. Auf der anderen Seite aber haben Studierende durchaus ja noch die Möglichkeit, ihr Studium etwas zu strecken und dadurch die Freiräume zu gewinnen. Sie tuns aber nicht. Den Grund dafür sehe ich vor allem im blanken Hass und der Hetze, die den "Gammel"-Studenten in den letzten Jahren entgegengebracht wurde, bis hin zu den für den Staat teuren Langzeitstudiengebühren.

     

    Kurzum, unsere Studenten könnten auch in Bologna, aber sie wollen nicht. Und sie wollen deswegen nicht, weil das Studium gesellschaftlich gewollt verkürzt werden soll.

     

    Mit freundlichen Grüßen, Steve Wolter (Uni Bielefeld)

  • M
    marike

    Das stimmt, der Bachelor-Studiengang lässt wirklich nicht viel Luft um auch noch ins Ausland zu gehen und es wäre wünschenswert für dieses Problem eine Lösung zu finden.

    Wenn sich Studierende finden, die den Schritt ins Ausland wagen wollen und dafür sogar eine Studienzeitverlängerung in Kauf nehmen, zeugt das von äußerster Motivation! Wenn sich dann aber Ihr erwähnter DAAD-Mitarbeiter zum Retter der Studierenden aufschwingen will, kann ich nur lachen! Ein halbes Jahr wurden wir hingehalten und uns wurde versichert, dass unsere Gruppe für den Auslandsaufenthalt finanzielle Unterstützung erhält. Und von heute auf morgen werden wir im Regen stehen gelassen. Ich werde mir den Artikel ein weiteres Mal durchlesen und nochmals herzlich lachen!