BUNDjugend-Mitarbeiterin im Interview: Eine solidarische Mobilitätswende

Für Malena Fröhlich zählen Mobilität und Wohnen zu den Grundrechten. Dafür wirbt sie im Interview und auf dem taz lab am 30. April 2022.

Kinder spielen am Lausitzer Platz in Berlin an der Fahrbahn, die durch sogenannte "Kiezblöcke" für Autos blockiert ist.

Nur wishful thinking? Eine lebenswerte Stadt für alle ist möglich, wenn wir sie solidarisch denken Foto: Doro Zinn

taz lab, 28.01.2022 | Von CLEMENS HAUCAP

taz: Warum muss eine Mobilitätswende solidarisch sein? Wie passen diese Begriffe zusammen?

Malena Fröhlich: Momentan ist es noch nicht für alle Menschen möglich, mobil zu sein. Zum Beispiel sind unsere Städte für Menschen, die Sorgearbeit leisten, Kinder und Jugendliche und Menschen mit Behinderung nicht ausreichend ausgebaut. Eine Mobilitätswende muss deshalb solidarisch sein und alle Menschen in der Bevölkerung miteinbeziehen.

Was sind denn Ansätze dafür?

Malena Fröhlich

Malena Fröhlich, Jahrgang 2004, ist Mitarbeiterin bei BUNDjugend und setzt sich mit dem Projekt "STADTräume - Reclaim the Streets" für eine solidarische Mobilitätswende ein.

Das wäre zum einen die Abschaffung der Kriminalisierung des ticketlosen Fahrens. Es kann nicht sein, dass Falschparken z.B. auf Fußwegen oder Radstreifen, wodurch weitaus mehr Menschen gefährdet werden nur als Ordnungswidrigkeit zählt. Man unter Umständen ins Gefängnis muss wenn man beim ticketlosen Fahren erwischt wird und die Strafe nicht zahlen kann. Das lohnt sich auch für den Staat nicht.

Außerdem müssen Bahnhöfe und Haltestellen ausnahmslos barrierefrei gestaltet und der ÖPNV massiv ausgebaut werden.

Mobilität sollte als Teil der Daseinsversorge und genau wie Wohnen als Grundrecht behandelt werden, denn sich fortzubewegen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sollte keine Frage des Einkommens sein.

Ihr setzt euch auch gegen Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit ein. Was hat das denn mit der Thematik zu tun?

Stadträume, welche besser angeschlossen sind werden zunehmend gentrifiziert, weshalb Menschen mit geringeren Einkommen oft in schlechter angebundene Teile der Stadt verdrängt werden. Dadurch sind sie oft auf ein Auto angewiesen, um mobil zu bleiben oder können nicht mobil sein.

Also mehr bauen?

Nein, so einfach ist das nicht. Erst einmal sollte jeder Stadtteil an den ÖPNV angeschlossen sein. Und zum Neubau: Wir hatten 2020 in Deutschland 45.000 obdachlose Menschen bei knapp 1,9 Mio. leerstehenden Wohnungen. Dieser Leerstand muss vorerst genutzt werden. Wenn neu gebaut wird, müssen es bezahlbare Wohnungen sein – denn Luxus-Appartements gibt’s schon genug und jeder Neubau führt zu Flächenversiegelung. Armut sollte auch kein Grund sein, von Autolärm und Abgasen besonders betroffen zu sein.

Und das alles klimagerecht?

Bestehende Gebäude müssen unter Beachtung der Bezahlbarkeit klima- und ressourcenfreundlich gestaltet und gleichzeitig gut angeschlossen werden. Neubau so wenig wie möglich und wenn, dann nur sozial und ökologisch.

Das klingt alles sehr schön, aber auch irgendwie utopisch. Lässt sich das überhaupt finanzieren?

Es fließt momentan unglaublich viel Geld in zahlreiche umweltschädliche Subventionen im Verkehr und seit Jahren ist genug Geld für einen massiven Straßenausbau da. Obwohl man dieses Geld stattdessen in eine solidarische Mobilitätswende und energetische Sanierung investieren könnte. Letztendlich ist es eine Frage des politischen Willens welche Investitionen getätigt werden. Denn wo wir jetzt an Geld sparen, wird der Klimawandel für nachfolgende Generationen nur viel teurer.

Wieviel Hoffnung habt ihr da mit der Ampel und einem FDP-geführten Verkehrsministerium?

Nach Andi Scheuer kann es ja gefühlt nur besser werden. Aber dass alle Möglichkeiten mit der Ampel ausgeschöpft werden denken wir auch nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir und andere Aktivist*innen weiterhin für unsere Ziele einstehen und medialen und politischen Druck ausüben.

Wir wollen weiter Menschen von unseren Ideen überzeugen. Auch dieses Jahr beim taz lab.