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BUNDESTAG ERMÖGLICHT DIE „HOMOEHE“ – EIN AKT MIT SIGNALWIRKUNGMan darf sich sehr freuen

Der Kampf um die „Homoehe“ hat zehn Jahre gedauert. Gestern wurde er gewonnen. Der Bundestag hat zwei entsprechende Gesetze verabschiedet. Und zumindest das erste Gesetz kann vom Bundesrat nicht mehr angefochten werden. Das zweite, zustimmungspflichte Gesetz hat in der Länderkammer zwar keine Chance – Rot-Grün hat dort nicht die Mehrheit, und die Union führt einen Kulturkampf gegen Schwule und Lesben –, doch wird dies den Sieg nicht schmälern. Da eingetragene homosexuelle Paare Pflichten eingehen, müssen ihnen auch Rechte zustehen. Das dürften die Gerichte bald genauso sehen.

Die Union, immer noch auf eine Familien- und Lebensstilpolitik der Fünfzigerjahre fixiert, führt einen aussichtslosen Kampf. Dominiert wird sie dabei von Politikern wie Norbert Geis, der in der „Homoehe“ nichts anderes sehen kann als die Entwertung aller Werte, mit denen er in den Vierzigerjahren aufgewachsen ist: Eine Familie besteht aus Mann und Frau, die Kinder zeugen – Homosexuelle spielten in diesem Tableau die Rolle der Parias.

Gewiss muss die Union ihr Wählerspektrum repräsentieren, also dessen Aversionen und Ängste zum Ausdruck bringen. Aber doch nicht so platt, als müsste die Union die Herzen von Reaktionären glücklich machen. Nicht einmal auf den (halbherzigen) FDP-Vorschlag konnte sich die Union einlassen. Auf diese Weise werden Angela Merkel und die Ihren nie in die Nähe kultureller Hegemonie gelangen. Eine Partei, die jeden Regelungsbedarf bestreitet, eine, die die Bedürfnisse von Homosexuellen nicht nur ignoriert, sondern bekämpft, gilt zu Recht als gefährlich für ein liberales Miteinander. Eine solche Partei ist mithin für die so genannte gesellschaftliche Mitte indiskutabel.

Das Gesetz wird Signalwirkung haben. Es wird Homosexualität entdiskriminieren – und dies weit in konservative Kreise hinein. Man wird sich an staatlich abgesegnete Partnerschaften gewöhnen – wie sich die konservativen Milieus auch mit dem Frauenstimmrecht (seit Anfang des vorigen Jahrhunderts), der vollen Geschäftsfähigkeit der Frauen (seit vierzig Jahren), dem Verbot der Züchtigung von Kindern in Schulen (seit fünfzig Jahren) vertraut gemacht haben. Insofern ist das gestern beschlossene Gesetz nichts als ein weiteres Element moderner Bürgerlichkeit im Wortsinn.

Das Gesetz ist jedoch nicht nur für Konservative gewöhnungsbedürftig – sondern auch für Schwule und Lesben, die sich politisch links von den Grünen glauben. Für sie ist die Eingetragene Lebenspartnerschaft nichts als ein „Torso“; für sie ist ein Jawort auf dem Standesamt ein Verrat an dem „eigentlichen“ homosexuellen Lebensstil: sexuell aufregend, sozial jederzeit disponibel, ästhetisch subversiv. Ganz davon abgesehen, dass ja niemand gezwungen wird, seinen Liebsten oder ihre Liebste zu heiraten: Diese Kritik verkennt die Realitäten der Bundesrepublik. Schon die radikaleren Teile der 68er irrten sich, als sie damals die Bildung einer sozialliberalen Koalition, nach zwanzigjähriger Regentschaft der Union, für einen taktischen Winkelzug des bösen Kapitals hielten. In Wirklichkeit – Zeitzeugnisse konservativer Politiker jener Zeit belegen es nachhaltig – war die Brandt/Scheel-Regierung für die damalige Union, für die bürgerlichen Schichten überhaupt, eine schmerzhafte Zäsur: Uns gehört nicht der Staat, nicht die Hoheit über alles, was die Bundesrepublik verkörpert. Und ebendieses Signal geht jetzt für die Union wieder von der „Homehe“ aus.

Die Eingetragene Lebenspartnerschaft – die schon vom Titel her nichts ausstrahlt, was auf mehr als einen gewöhnlichen Ehealltag hindeutet – ist ein Bruch mit einem Lebensverständnis, wie es die Nationalsozialisten am konsequentesten formulierten: Ein Mann soll bei Strafe des Ausschlusses aus der Gesellschaft keinen Mann lieben. Ein Mann möge hart sein und zäh und flink, eine Kampfmaschine; die Frau vor allem eine gute Mutter, eine Gebärfabrik. Noch bis vor dreißig Jahren war Homosexualität schlechthin in der Bundesrepublik verboten. Diese Tradition ist gebrochen: Homosexuelle Liebe, amtlich verbürgt, darf von nun an öffentlich gefeiert werden.

Der Rest ist eine Frage von Musterprozessen. Sie werden Jahre beanspruchen. Es wird sich lohnen. Auch das hat der Kampf um die „Homoehe“ bewiesen. Das Leben kann für Homosexuelle nun friedlicher werden. Darüber darf man sich sehr freuen.

JAN FEDDERSEN

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