BSE KANN ÜBERALL AUFTRETEN – BEI DEN GUTEN UND BEI DEN BÖSEN: Der Metzger des Vertrauens ist tot
Die Rauchwolke aus den Tierkörperbeseitigungsanstalten weht immer penetranter über die deutschen Bratpfannen. Und es gilt, zwei weitere Todesfälle zu beklagen: Der immer gern zitierte „Metzger des Vertrauens“ ist dahingeschieden. Und mit ihm gleich noch der „Bauer des Vertrauens“, der gute von nebenan, der mit dem Pfeifchen im Mund und dem lustigen Hütchen.
Der zweite BSE-Fall in der Bundesrepublik hat im Allgäu keine großindustrielle Tierfabrik getroffen, sondern einen regionalen Erzeuger. Damit ist die letzte Nische vermeintlicher Sicherheit im Reagenzgläschen des BSE-Referenzlabors von Tübingen auf der Strecke geblieben. „Ich kaufe nur bei meinem Metzger, da weiß man, wo das Fleisch herkommt“, hatten sie gebetsmühlenartig aus allen Talkshow-Bunkern gefunkt und energisch die Beine übereinander geschlagen. Und es war ja irgendwie richtig: Die regionale Vermarktungsschiene versprach keine langen Transportwege und mehr Transparenz. Im besten Fall kannte man den Bauern sogar persönlich. Nur: Geholfen hat es nichts.
Wie viele Metzger im Allgäu hatten ihre Tiere von dem BSE-verseuchten Hof bezogen? Und wie viele hatten in ihren Metzgereien schicke Schildchen aufgestellt mit dem Hinweis, dass sie eben keine anonymen Schlachtrinder beziehen, sondern original bayerisches Vieh mit prima Herkunftsnachweis und mustergültigem Lebenslauf von der Wiege bis zum Bolzenschussapparat? Wie viele Verbraucher haben sich schließlich genau darauf verlassen? Vergebens! Es gibt keine Sicherheit, nirgends. BSE kann überall auftreten, bei den Guten und bei den Bösen. Nicht einmal die beschaulichen bayerischen Berge bleiben verschont.
So bricht denn die Krise mit aller Wucht über unsere Menüpläne herein, selbst die Putenbrust – aus zumeist barbarischer Haltung – wird knapp. Mit jedem weiteren neu entdeckten BSE-Rind wird die Uhr des Vergessens wieder erbarmungslos zurück auf „Los“ gestellt. Es sind Hammerschläge im wohl dosierten Rhythmus, die uns wach und alarmiert halten: und die uns alle Chancen geben, endlich die politischen Konsequenzen aus einem Seuchenzug zu ziehen, den allein der Mensch mit dem Kannibalismus unter Rindern verursacht hat.
Seit Sonntag gibt es auch in den Talkshows kein sicheres Rindfleisch mehr. Doch wie ernst die Lage wirklich ist, erkennt man erst auf der Homepage der PR-Agentur CMA der deutschen Landwirtschaft. Dort haben die Werber einen langen Text platziert, der über die „schweren Risiken“ einer vegetarischen Ernährung Auskunft gibt. Tenor: Die Babys von Vegifrauen hätten kleinere Köpfe. Die Agrolobbyisten haben dagegen riesige Turboschädel. Nur: Es ist nix drin! MANFRED KRIENER
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