BND-Untersuchungsausschuss: Angst vor der Presse
Der Ex-Verfassungsschützer Lothar Jachmann belastet im Fall Kurnaz die frühere rot-grüne Bundesregierung
Wenn es einen Preis für die fleißigsten Politiker Deutschlands gäbe, müsste er an die Abgeordneten im BND-Untersuchungsausschuss gehen. Obwohl weite Teile der Öffentlichkeit den Fall Murat Kurnaz längst abgehakt haben, befragen sie immer noch eifrig neue Zeugen. Und die Arbeit lohnt sich.
Am Donnerstag sagte der frühere Vizechef des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz, Lothar Jachmann, aus, er habe 2002 erfahren, dass die damalige rot-grüne Regierung politische Bedenken gegen die Rückkehr des Bremer Guantánamo-Häftlings nach Deutschland hatte. Jachmann berichtete, ein Kollege vom Bundesamt für Verfassungsschutz, der Kurnaz kurz zuvor in dem US-Lager vernommen hatte, habe ihm erklärt, der junge Deutschtürke sitze höchstwahrscheinlich unschuldig in Haft. Seine Wiedereinreise werde jedoch "in Berlin nicht gewünscht". Dort fürchte man einen "Pressehype" nach dem Motto: "Taliban kommt zurück!"
Auf die Frage, wer diese Sorge hatte, sagte Jachmann: "Berlin - mehr kann ich nicht sagen." Außenminister Steinmeier begründete die 2002 verhängte Einreisesperre gegen Kurnaz offiziell stets mit Sicherheitsbedenken.
Jachmann selbst war einer der ersten Beamten, die belastendes Material gesammelt hatten. V-Mann-Berichte über angebliche Bestrebungen Kurnaz, gegen die USA zu kämpfen, habe er aber nur "unter Vorbehalt" weitergegeben, weil sie "nicht bestätigt" waren, sagte Jachmann. Der Ex-Verfassungsschützer zeigte sich verärgert, weil die vagen Verdachtsmomente jahrelang wie Fakten behandelt und später sogar absichtlich aufgebauscht worden seien. Kurnaz kam erst 2006 frei
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!