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BLUTTAT IN DÜSSELDORF: TÄTER IMMER NOCH NICHT GEFASSTZum Alltag zurückgekehrt

Hatte der Handgranatenanschlag von Düsseldorf tatsächlich einen rechtsextremistischen und antisemitischen Hintergrund? Und: Wer waren die oder der Täter? Die Chancen, dass die Ermittlungsbehörden diese Fragen noch werden beantworten können, stehen rund zwei Monate nach der Tat schlecht. Der Versuch, nun über Phantombilder neue Zeugen ausfindig zu machen, ist nicht mehr als ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Aber: Er sorgt wenigstens dafür, dass der Anschlag wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerät. Wenn auch nur als Kurzmeldung.

Dass sie nicht alles versucht hätten, kann Staatsanwaltschaft und Polizei nicht ernsthaft vorgeworfen werden. Der öffentliche Druck nach dem Anschlag war viel zu groß, als dass sie es sich hätten leisten können, etwas unter den Teppich zu kehren. Trotzdem: Es wäre erschreckend, wenn es möglich sein sollte, eine solche Tat an einer belebten S-Bahn-Station in einer bundesdeutschen Landeshauptstadt zu verüben, ohne gefasst zu werden.

Erschreckend ist ebenfalls, wie schnell die Öffentlichkeit wieder zum Alltag zurückgekehrt ist. Diejenigen, die davor warnten, die durch die Düsseldorfer Bluttat ausgelöste Debatte über den Kampf gegen rechts solle wohl nur kurzfristig das Sommerloch stopfen, scheinen Recht zu behalten. Die Sommerpause ist vorbei. So engagiert, wie vor kurzem noch die große gemeinsame antifaschistische Front von allen Parteien, auf allen Kanälen und in allen Zeitungen beschworen wurde, wird heute über die Ökosteuer und die hohen Benzinpreise gestritten. Man muss halt Prioritäten setzen.

Was bleibt, ist das Schicksal der Opfer. Das der schwer verletzten 26-jährigen Tatjana L., die bei dem Anschlag ihr ungeborenes Kind verlor, noch lange stationär behandelt werden muss und womöglich nie wieder richtig gehen kann. Und das der anderen jüdischen Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion, die sich seit dem 27. Juli nur noch angstvoll in die Sprachschule in Düsseldorf trauen. Aber sie sind ohnehin längst vergessen.

Auch in die Stadt des Verbrechens ist wieder deutscher Alltag eingekehrt. Nur zwei Monate nach dem blutigen Anschlag verloren sich am vergangenen Wochenende gerade noch tausend Teilnehmer auf einer „Großkundgebung“ des Düsseldorfer Appells unter dem Motto „Mut gegen rechts“. Obwohl die Kundgebung auch vom Stadtrat unterstützt worden war, nahm niemand aus der CDU/FDP-Stadtregierung teil. Nach dem Auftauchen von Mitgliedern der neonazistischen „Kameradschaft Düsseldorf“, die Reizgas in die Menge sprühten, schritt die Polizei ein. Die Bilanz: fünf vorläufige Festnahmen – zwei Neonazis und drei Antifaschisten. Business as usual. PASCAL BEUCKER

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