BIP im dritten Quartal geschrumpft: Rezession in Euroland
Die Wirtschaft in der Eurozone schrumpft im 3. Quartal um 0,1 Prozent, trotz Wachstum in Deutschland und Frankreich. Die Aussichten sind noch schlechter.
HAMBURG taz | Die Eurozone steckt erstmals seit 2009 wieder in einer Rezession. Die Wirtschaft ist nach vorläufigen Schätzungen des europäischen Statistikamtes Eurostat vom Donnerstag im dritten Vierteljahr gegenüber dem zweiten Quartal weiter um 0,1 Prozent geschrumpft. Auch im letzten Vierteljahr 2012 dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) weiter sinken. Damit steigt nach Auffassung des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) auch in Deutschland die Wahrscheinlichkeit einer Rezession „rapide an“.
Bereits im zweiten Quartal war die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent zurückgegangen. Für Wirtschaftswissenschaftler steckt die Wirtschaft damit in einer Rezession, weil in zwei Quartalen hintereinander das BIP sank. Dabei hat das wirtschaftliche Gefälle im Euroraum seit dem Sommer noch weiter zugenommen: Die sogenannten Peripherieländer hinken den starken Kernländern immer weiter hinterher.
Doch auch in Deutschland, lange Zeit das einzige größere Euroland mit einer vergleichsweise hohen Wachstumsrate von bis zu 3 Prozent noch im vergangenen Jahr, schwächt sich die Konjunktur deutlich ab. Das saisonbereinigte BIP legte in den Sommermonaten nur noch um 0,2 Prozent zu.
Folker Hellmeyer verweist als Erklärung vor allem auf „das Griechenlanddrama“. Die zögerliche Lösung des vergleichsweise kleinen Schuldenproblems Athens durch EU und Internationalen Währungsfonds belastet sogar „die gesamte Weltwirtschaft“, meint der Analyst der Bremer Landesbank.
Auch Christian Lips führt die erneute Abschwächung vor allem auf die ungelöste Euro-Schuldenkrise zurück. Bremsend wirkt auch „das rauere weltwirtschaftliche Klima allgemein“. Ein gefährliches Indiz, so der Analyst der NordLB, sei zudem die Zurückhaltung bei Investitionen. Dies zeige, dass die Unternehmen weiterhin sehr vorsichtig für die nähere Zukunft planten. Bei der Commerzbank hält man das Mini-Wachstum in Deutschland denn auch „für vorerst die letzte gute Zahl“.
Rezession droht auch Deutschland
Damit rechnet auch das gewerkschaftsnahe Konjunkturforschungsinstitut IMK: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, ist im vergangenen Monat rapide angestiegen – zum dritten Mal in Folge“, warnt IMK-Ökonomin Sabine Stephan. Das signalisiere der hauseigene Konjunkturindikator. Erstmals in diesem Jahr komme der Indikator dem Rezessionsbereich nahe.
Gewerkschafter und überwiegend linke Ökonomen hierzulande, aber auch konservative Wirtschaftsminister einiger Euroländer haben immer wieder die extreme Exportorientierung der deutschen Wirtschaft kritisiert. Niedrige Lohnerhöhungen sowie der wachsende Bereich prekärer Arbeitsverhältnisse und Minijobs hätten dafür gesorgt, dass es hierzulande an Binnennachfrage mangelt.
Dadurch fällt die Bundesrepublik als Konjunkturlokomotive für Europa aus und wurde selber abhängiger von der Konjunktur in anderen Ländern. Der Großteil der deutschen Exporte geht in Euroländer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden