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BGA rappelt sich auf

■ Protest gegen Seehofer / 2.305 Menschen durch Blutprodukte HIV-infiziert

Berlin (dpa/AP) – In der Bundesrepublik sind nach Angaben des Bundesgesundheitsamtes (BGA) bislang 2.305 Menschen durch Blut und Blutprodukte mit dem Aids-Virus HIV infiziert worden. Dies geht aus der am Freitag in Berlin erschienenen jüngsten Ausgabe des Bundesgesundheitsblattes hervor. Die Zahl unterteilt sich in 1.843 infizierte Bluter und 462 gemeldete Fälle, die auf Bluttransfusionen zurückzuführen sind. Stichtag der BGA-Erhebung ist der 30. September 1993.

In der Zahl der 2.305 Fälle sind jene 373 Meldungen von der Liste des BGA-Institutes für Arzneimittel enthalten. Diese war von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) zum Anlaß genommen worden, zwei Spitzenbeamte des BGA zu entlassen und das Amt aufzulösen. 360 der 373 Meldungen stammen aus der Zeit vor Einführung des HIV-Antikörper- Tests im Oktober 1985. Nach Meinung von Experten dürfte sich auch die Mehrzahl der 2.305 Betroffenen vor Oktober 1985 infiziert haben.

Unterdessen mehren sich die Bedenken gegen die Auflösung des Amtes und auch gegen den geplanten Untersuchungsausschuß. Nach dem Personalrat, dem BGA- Vizepräsidenten Joachim Welz und den Mitarbeitern des zum BGA gehörenden Aids-Zentrums haben sich nun auch die Mitarbeiter des BGA-Instituts für Veterinärmedizin in einem offenen Brief dagegen gewandt, den Verbund der sechs Institute und des Aids- Zentrums zu zerschlagen.

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer denkt weiter nicht daran, wegen des Aids-Skandals zurückzutreten, wie er am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“ sagte. „Ich bin bei keiner Geschichte ertappt worden.“ Der SPD-Politiker Horst Schmidbauer bekräftigte den Verdacht, daß Seehofer bereits 1992 über die beim Bundesgesundheitsamt registrierten Aids- Fälle informiert war. Der Vorsitzende der im Marburger Bund organisierten Krankenhausärzte, Frank Ulrich Montgomery, warf dem Minister „Hysterisierung“ vor.

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