piwik no script img

BERLINER VERKÄUFERINNEN und wie sie den Laden hier am Laufen haltenHeute: Chitra Kanapathipplilai

Der kleine Lebensmittelladen in der Wrangelstraße trägt den Namen der Tochter des Chefs, „Laxy Cash & Carry“, und ist eine Institution im Kiez. Durch ein gekonnt zugeschnittenes Asia-Africa-Warenangebot für Bedürfnisse von Görlitzer-Park-Arbeitern, Touristen und alteingesessenen SO-36ern, vor allem aber wegen Chitra Kanapathippliai. Sie stammt aus Chavakacheri, einer Stadt nahe Jaffna auf Sri Lanka. Seit ihrer Ankunft in Deutschland vor 15 Jahren arbeitet sie an diesem Ort, meistens allein. Ihr Onkel hatte ihr damals den Job vermittelt.

Seither hat die junge Frau eine bemerkenswerte Karriere hingelegt: Aus einer freundlichen, aber eher schüchternen Kassiererin ist im Lauf der Zeit eine souveräne Geschäftsführerin mit herausragender kultureller Kompetenz geworden. Chitra Kanapathipplai gehört zu den Frauen, die gleichzeitig lachen und streng sein können, die ihrer zuweilen wilden Kundschaft mit fein austarierten Spielregeln begegnet – sodass das geschäftliche Mikroklima und der Umsatz stimmen. Afrikanische Kunden bekommen bei Laxy Cash & Carry Palmöl, Maniok, Tilapia und andere ihnen vertraute Lebensmittel, die es in den umliegenden Supermärkten nicht gibt. Im Kerngeschäft – indische und asiatische Lebensmittel – gibt es neben fachlicher Beratung, wenn die Zeit es erlaubt, Fachgespräche über tamilisches Kino oder die komplizierte Politik auf Sri Lanka.

Den oft älteren „Nobelpreisträgern“ der Nachbarschaft, die immer verquasselter werden, je mehr sie getrunken haben, verkauft Chitra geduldig den jeweils nächsten Flachmann. Sie versteht sie dann aber auch aus der engen Schleuse im Eingangsbereich hinauszukomplimentieren, ohne Streit zu provozieren. Wenn Chitra im Umgang mit den Kreuzbergern stets den richtigen Ton trifft, verdankt sie das nach eigenen Aussagen vor allem zwei ihrer weiblichen Stammkunden, die ihr Deutsch mit dem richtigen Lokalkolorit beigebracht haben. Auch Tamilisch hört man Chitra oft im Laden reden: gar nicht so selten regelt sie neben dem Geschäftsalltag auch noch komplizierte Familienangelegenheiten in Sri Lanka via WhatsApp. Zu viel wird ihr das nicht, meint sie, ihre Arbeit im Laden sei „interessanter“ als jedes TV-Programm. Zumal sie mit ihrem Gehalt zufrieden ist und ihr Chef die Arbeitszeiten gern anpasst, wenn sie mal was vorhat.

Als Teenagerin träumte Chitra davon, Sozialarbeiterin zu werden, durch den Bürgerkrieg war es unmöglich, diese Laufbahn in ihrer Heimat einzuschlagen. Chitra hat es geschafft, ihre Tätigkeit als Verkäuferin so zu gestalten, dass sie in dem kleinen Kreuzberger Laden ihrem ursprünglichen Berufswunsch sehr nahegekommen scheint, ganz aus eigener Kraft. Dorothee Wenner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen