BDR-Kandidatin über ihre Ziele: „Ich war damals zu gutgläubig“
Sylvia Schenk möchte Radsportpräsidentin werden. Die engagierte Dopingbekämpferin weiß um die Spannungen im Verband.
taz: Frau Schenk, warum wollen Sie sich den Bund Deutscher Radfahrer noch einmal antun?
Sylvia Schenk: Bislang bin ich lediglich als Kandidatin vorgeschlagen, der Rest entscheidet sich am Freitag und Samstag. Fakt aber ist, dass ich für das Amt bereitstehe.
Wie kam es dazu?
Als Ende Januar die Frage kam, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte, habe ich das nicht sofort ausgeschlossen, sondern versucht herauszufinden, was beim BDR los ist. In anschließenden Gesprächen waren dann Unzufriedenheit und Frust zu spüren, auch wegen der ständigen Kritik in der Öffentlichkeit aufgrund der Dopingproblematik. Als dann Rudolf Scharping seinen Rückzug erklärte, hatte ich das Gefühl: Ich kann diejenigen im Radsport, die bereit sind, neue Wege zu gehen, jetzt nicht hängen lassen.
Nun steht Scharping doch wieder für eine weitere Amtszeit bereit. Woher rührt dieser Sinneswandel?
Nein. War es denn ein Sinneswandel?
Die 61 Jahre alte Juristin gehört dem Vorstand der Korruptionswächter von Transparency International an, dessen deutschem Ableger sie drei Jahre lang vorstand. Von 2001 bis 2004 war sie Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer. Bei der Wahl am Samstag in Gelsenkirchen strebt sie dieses Amt wieder an.
Könnte doch sein, dass das mit Ihnen und Ihrer Kandidatur zu tun hat?
Das würde ich nicht unbedingt in seine Entscheidung hineininterpretieren. Ich nehme an, dass Rudolf Scharping einfach nur BDR-Präsident bleiben will.
Die Süddeutsche Zeitung hat festgestellt, im nationalen Radsport herrsche „massive Spannung“, seit klar ist, dass Sie für das Amt bereitstehen. Was ist damit wohl gemeint?
Das möchte ich nicht interpretieren. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass die Spannung schon länger geherrscht hat – sonst wäre ich ja auch nicht gefragt worden und Rudolf Scharping hätte nicht so reagiert. Vielleicht deckt ja allein die Möglichkeit einer Kandidatur von mir vorhandene Spannungen auf.
Sie gelten als engagierte Kämpferin gegen Doping und Betrug. Will der deutsche Radsport überhaupt Aufklärung?
Genau das ist die Frage, auf die ich eine Antwort suche. Mal schauen, wie viele im BDR das auch wissen wollen.
Was hat sich seit Ihrer ersten Amtszeit (2001 bis 2004) im deutschen Radsport verändert?
Die entscheidende Frage ist: Was hat sich im Umfeld verändert? Welche Erwartungen gibt es an Transparenz und Integrität? Wie sollten Ehrenamtliche in den verschiedenen Positionen, aber auch Interessengruppen, die nicht Mitglieder sind, eingebunden werden? Man muss heute mit allen ins Gespräch kommen, mit der Jedermannszene und den Antidopingkämpfern. Auf der anderen Seite geht es auch darum, was ich dazugelernt habe, zum Beispiel über Prävention, den Umgang mit Risiken, mit Verdacht, Misstrauen. Die Deutsche Sporthilfe hat gerade eine Studie über Existenzängste und Druck bei Spitzenathleten vorgelegt – als mögliche Ursache für Doping.
Da wollen Sie ansetzen?
Wir müssen uns fragen: Wie hilft man den Aktiven wirklich, anstatt sie im Zweifelsfall im Regen stehen zu lassen? Doping ist nicht bloß ein Problem der Sportler. Da stecken Strukturen dahinter und die Einstellung des gesamten Umfeldes. Darüber habe ich im Kampf gegen Korruption viel gelernt.
Kann ein Straftatbestand Sportbetrug hier Probleme lösen?
Eine endgültige Umsetzung durch den Gesetzgeber würde viel Zeit in Anspruch nehmen, selbst wenn sofort alle Sportverbände dafür wären. Strafgesetze sind zudem immer nur ein Mosaikstein. Es geht auch um die Frage: Wie viel Ressourcen stecken die Länder dann in die Strafverfolgung? Und vor allem: Was kann man sofort tun?
Nämlich?
Umfassende Prävention, die am Umfeld der Sportler ansetzt, ist schon jetzt möglich. Das Kontrollsystem reicht ja nicht aus. Es lässt zu viele Schlupflöcher.
Ihr Rücktritt 2004 hatte auch mit der Dopingproblematik zu tun. In dem von Ihnen geführten Verband konnte der damalige Sportdirektor Burckhard Bremer auffällige Blutwerte eines Sportlers verheimlichen.
Das Entscheidende war, dass mir die Fakten schriftlich bestätigt vorlagen. Es bewegte sich nicht in Gerüchten, Andeutungen oder einem nicht verwertbaren Vier-Augen-Gespräch.
Als Sie von dem Vorgang erfuhren, haben Sie die Vertrauensfrage gestellt: Er oder ich. Ihre Präsidiumskollegen haben sich für Bremer ausgesprochen. Wie enttäuschend war das für Sie?
Mir war klar, dass ich meine Linie halten und das durchfechten muss. An Enttäuschung als Gefühl erinnere ich mich nicht. Eher an Angst und Unsicherheit – und auch an Ärger über mich, weil ich gegenüber manchen Personen viel zu gutgläubig war.
Kann man sagen, dass Sie gescheitert sind, weil Sie schon damals aufklären wollten?
Ja.
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