■ BASF-Studie: Schulabgänger – zu dumm fürs Berufsleben?: Am Anfang und schon am Ende
Immer mehr Schulabgänger können kaum rechnen und lesen. Schreiben, eins und eins im Kopf zusammenzählen ist ihnen eine Qual. Selbst schuld, wenn sie keine Lehrstelle finden? Ausbildungsmüden Unternehmern mag die Langzeitstudie der BASF Stoff für eine weitere Strophe im Klagelied über die faulen, unmotivierten Lehrstellensuchenden sein. Das Scheitern beim Berufseinstieg bedeutet für die Jugendlichen eine fatale Krise des eigenen Lebensentwurfs.
Fatal ist das Ergebnis der Studie auch für unser Bildungswesen. Sie wirft die Frage auf: Welchen Stellenwert haben Hauptschule und (in geringerem Maße) Realschule noch, wenn sie nicht zu einer Berufsausbildung befähigen? Die Hauptschule ist zur Restschule verkommen, auch wenn Bildungspolitiker dies nicht gerne hören. Besuchten vor 37 Jahren in Bayern noch 68 Prozent eines Jahrganges die Hauptschule, waren es 1996 nur noch 38 Prozent. Sind die heutigen Hauptschüler deswegen dümmer als früher?
Diese Schlußfolgerung wäre eine Fehldeutung der BASF-Studie. Sie erhob den Kenntnisstand der Schüler über 20 Jahre hinweg, die Fragen blieben dieselben. Dennoch nahmen die Leistungen ab. Die Studie zeigt, daß Schüler kaum mehr die Grundfertigkeiten für das Berufsleben erlernen. Ein Grund für das miserable Ergebnis der Studie mag in den hochgesteckten Lehrplänen liegen. So müssen Hauptschüler heute über ein abrufbares Grundwissen in Informatik verfügen. Gleichzeitig beklagen Lehrer, die Lehrpläne ließen weniger Zeit zum Einüben der vier Rechenarten. Haben die Schüler einmal den Anschluß an den Unterrichtsstoff verpaßt, werden sie von den Lehrern links liegengelassen. So geschieht es, daß massenweise Schüler resignieren. Den Lehrern scheint es egal zu sein. Bislang haben sie nicht dagegen protestiert, daß elementare Schülerfähigkeiten verkümmern – Hauptsache, sie selbst schaffen das Unterrichtspensum.
Die Gleichgültigkeit von Lehrern und Kultusministern, die die Rahmenlehrpläne festlegen, rächt sich. Die Ausbildungsfirmen reparieren mehr und mehr die Versäumnisse der Schule. Lehrern, Politikern und Unternehmern gemeinsam ist die Klage über die schlechten Schulabgänger. Dabei übersehen sie die eigentliche Frage: Wie kommen wir zurück zu einer soliden Grundausbildung an der Hauptschule? Ein erster Schritt wäre getan, würden endlich schulische Rahmenpläne und Anforderungen der Wirtschaft aufeinander abgestimmt. Dann könnten sich zumindest die Unternehmer in der Lehrstellendiskussion nicht mehr hinter den Defiziten der Jugendlichen verstecken. Annette Rogalla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen