BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE : Auf der Suzuki hochschalten
Vergesst Albernheiten wie die Problemzonengymnastik, Mädels! Widmet euch lieber Sachen, die funktionieren!
Ja, auch ich hab’s natürlich mal probiert. Mit Sit-ups. Im Fitnessstudio. Man klemmte die Füße auf dem Bauchbrett vorne fest und hob dann, die Hände hinter dem Kopf, den Oberkörper auf und ab. Und jetzt verrat ich mal was: Nie, wirklich nie, ist mein Bauch dadurch flacher geworden. Ja, es gab schon mehr Muskeln, stimmt. Aber „flach“ ist was anderes.
Sit-ups machen jetzt nur noch Männer über 35, die das Magazin Men’s Health lesen und durch die vielen männlichen Waschbrettbäuche darin unter Stress geraten. Frauen mit Lebenserfahrung probieren was anderes. Auch ich.
„Meinst du wirklich, du willst die Suzuki fahren?“, hatte mich meine Freundin Britt noch zweifelnd gefragt, als sie ihre schon angejahrte Maschine aus der Garage schob. Ich nickte, hatte aber ein bisschen Angst.
Irgendwann mal hatte ich festgestellt, dass ich mit meinem alten Pkw-Führerschein aus den Siebzigerjahren – ja, ja, das Alter hat seine Vorteile – auch ein Motorrad fahren darf. Ganz ohne extra Fahrstunden und Prüfung.
Es gibt zwar Einschränkungen: Bis zu 125 Kubikzentimeter (ha, diese technischen Worte aussprechen zu dürfen, ist schon was Neues!), bis zu 125 Kubikzentimeter also darf die von mir gefahrene Maschine haben, wobei ich das Wort „Maschine“ hier am liebsten in An- und Abführungszeichen setzen würde, denn ich bin ja nun keineswegs aus dem Krad-Milieu, sondern saß am Samstag das erste Mal auf dem Vordersitz eines motorgetriebenen Zweirades.
In den Jahren davor hatte ich mich nie getraut, weil ich meinen Kindern keine gefährliche Fortbewegungsart vorführen wollte. Aber jetzt macht der Nachwuchs ohnehin weitgehend, was er will. Also darf ich das auch. „Die Kupplung mit der linken Hand langsam kommen lassen, ich sagte laaangsam“, ermahnt mich Britt.
Ist schon merkwürdig, dass die Kupplung am Lenker eigentlich aussieht wie ein Handbremsengriff am Fahrrad. Nur dass da eben nichts bremst, sondern was losfährt, mit mir obendrauf. Britt sprintet neben mir her: „Jetzt in den zweiten Gang schalten!“
Das Schalten ist nicht so einfach: Man muss den Schalthebel, der sich unter dem linken Fuß befindet, mit der Fußspitze hochlupfen, über den Leerlauf hinaus, in den zweiten Gang. Ich lasse die Kupplung wieder kommen, das Knattern klingt jetzt tiefer. Gut so.
Der Fahrtwind bläst, Britt habe ich hinter mir gelassen. Eigentlich ist ja doch was dran an dieser traditionell männlichen Methode, die Erzeugung von Kicks den Verbrennungsmotoren zu überlassen, anstatt irgendwelche Gymnastik zu machen in der irren Hoffnung, man bekäme dadurch mehr Spaß am Leben.
Ich düse über die nächste Kreuzung. Ist zum Glück eine wenig befahrene Siedlung hier. Das Bremsen will noch ein wenig geübt sein, rechts am Lenker gibt es die Handbremse, dazu unter dem rechten Fuß die Fußbremse. Außerdem lasse ich die Kupplung kommen, ganz laangsam, das bremst auch. Jetzt einen Bogen fahren. Irgendwie muss ich wieder zurück.
„Füße nicht auf den Boden schleifen lassen!“, brüllt Britt. Ich brumme an ihr vorbei. Dritter Gang. Je schneller ich fahre, desto leichter halte ich das Gleichgewicht. Wie tiefgründig.
Der Wind fährt durch meine Sweatshirtjacke. Ich sollte vielleicht die hässliche Motorradjacke von Britt überziehen. Was heißt überhaupt hässlich? Ist es dem Motorrad nicht wurscht, wie ich aussehe?
Ich bin um die Kurve verschwunden. Knatter. Beim Abbremsen an der nächsten Kreuzung säuft mir der Motor ab. Stille. Wie wechsele ich jetzt in den Leerlauf, um neu zu starten ? Britt kommt angejoggt.
„Vorsichtig ruckeln am Schalthebel, so was erfordert Gefühl“, erklärt sie und schiebt den Ganghebel mit dem Fuß ein bisschen herum. Ich starte neu und fahre behutsam zurück.
Nächstes Wochenende geht es weiter im vierten Gang, und dann gibt es ja noch den fünften. Wie schön, sich nur noch mit Sachen zu beschäftigen, die funktionieren, wenn man alles richtig macht.
Fragen zum Fahrgefühl? kolumne@taz.de Morgen: Martin Unfried über ÖKOSEX