: Aydins Gouverneur nimmt Tote in Kauf
■ Nach 50 Tagen Hungerstreik in türkischen Gefängnissen ist Zustand bei hundert Gefangenen kritisch / 58 verweigern medizinische Versorgung / Solidaritätsstreik türkischer Journalisten
Istanbul (taz) - „Brecht den Hungerstreik ab, sonst wird es am Ende dieser Geschichte Tote geben.“ Der neue Gouverneur von Aydin, Recep Yazacioglu, kalkuliert Todesopfer mit ein. Am 50. Tag des Hungerstreiks der politischen Gefangenen in türkischen Haftanstalten befinden sich rund hundert Hungerstreikende in einem kritischen Zustand. Etwa hundert weitere Gefangene sollen ihren Hungerstreik inzwischen abgebrochen haben.
Nachdem bereits vor drei Tagen sechs Gefangene mit schweren Verletzungen in das staatliche Krankenhaus von Izmir verlegt worden waren, wurden dort am späten Mittwoch vier weitere eingeliefert: Bei ihnen wurden schwere Verletzungen an Leber, Hirn und Nieren sowie Gewebeschwund und Herzinsuffizienz diagnostiziert.
Im Krankenhaus von Aydin reichen inzwischen die Betten nicht mehr aus. Ein Teil der 72 Hungerstreikenden wurde auf andere Schlafräume verteilt und dort trotz des Widerstandes der behandelnden Ärzte an die Betten gekettet. 58 Gefangene im Krankenhaus verweigern jede medizinische Behandlung. Nach Aussagen der Ärzte werden die Patienten ohne Versorgung in zwei bis drei Tagen sterben.
Währenddessen bittet der Gouverneur von Aydin die seit Tagen vor dem Krankenhaus ausharrenden Angehörigen, die ständig von ziviler Polizei schikaniert werden, um „Verständnis“: „Selbst mir als Gouverneur wird vom Justizministerium der Eintritt verwehrt.“
Dem Protest der Rechtsanwälte der Gefangenen haben sich seit Donnerstag auch 300 türkische Journalisten angeschlossen. Auf einer Kundgebung in Istanbul klagten sie die Pressefreiheit ein und forderten Justizminister Oltan Sungurlu zum Rücktritt auf. Der Verband der Zeitungsverleger und die Anwaltskammer in Ankara schweigen bisher zu den Vorfällen.
Z.Herkmen/R.Schimmelpfennig
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