Autor über Stoibers Rolle in CSU-Krise: "Er hat ihnen nicht verziehen"
Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Beckstein und CSU-Chef Huber triumphiert Vorgänger Stoiber. Er habe im Hintergrund Stimmung gegen beide gemacht, sagt der Autor eines neuen Stoiber-Buches.
taz: Herr Erhard, Erwin Huber und Günther Beckstein trugen Anfang 2007 zum Sturz von CSU-Chef Edmund Stoiber bei. Der revanchierte sich mit Wahlkampf-Abstinenz und wohl dosierten Sticheleien. Nach dem Debakel bei der Landtagswahl mussten beide nun als CSU-Chef bzw. als Ministerpräsident zurücktreten. Rache ist Weißwurst - das Motto von Edmund Stoiber?
Rudolf Erhard: Stoiber hat Beckstein und Huber nicht verziehen. Er sieht vor allem in Beckstein den bösen Buben. Stoiber hat schon vor dem Wahltag in Hintergrundgesprächen gewarnt, beide hätten das falsche Wahlkampfkonzept, träten schlecht auf und machten andauernd Fehler. Stoiber hat vorhergesagt, dass diese Wahl für die CSU böse ausgehen wird und fühlt sich jetzt bestätigt. Er hat immer zu erkennen gegeben, dass er die beiden nicht für geeignete Nachfolger hält.
Wie groß ist Stoibers Anteil an der Wahlpleite und dem Rücktritt der beiden?
Das Ergebnis war eine Abrechnung für fünf Jahre, also auch gegen Stoiber. Sein Anteil ist, dass er seine Amtsgeschäfte seinen Nachfolgern nicht geordnet übergeben hat. Formal fand eine Amtsübergabe statt, aber nicht inhaltlich. Stoiber ist mit Beckstein zwar in Kontakt geblieben, aber es war immer das Verhältnis Meister und Lehrling. Er hält sich nach wie vor für den besseren Politiker. Bei seinen Wahlkampfauftritten hat er vorwiegend vom Mythos der CSU und von sich geredet - und angedeutet, er hoffe, seine Nachfolger könnten das schultern. In Hintergrundgesprächen hat er verbreitet, wenn er bei Reden die Namen Beckstein und Huber in den Mund nähme, fingen die Leute an zu pfeifen, deshalb lasse er das lieber.
Warum tut Stoiber sich diese Schlammschlacht noch an? Warum zieht er sich nicht zurück und genießt sein Lebenswerk?
Stoiber brennt noch für die CSU. Er hat bis heute nicht eingesehen, warum er gehen musste. Er hat nicht kapiert, dass er durch seine handwerklichen Fehler sein Aus mit verschuldet hat. Nach dem Rummel um die Kritik der damaligen Landrätin Gabriele Pauli hätte er den Machtwechsel im Hintergrund konkret einleiten und bis zur Wahl bleiben können. Jetzt war es so: Je häufiger Beckstein und Huber Fehler machten, desto mehr haben die Bayern eine Führungsfigur vermisst. Sie haben nicht Stoiber vermisst. Den hatten sie über. Sie haben seine Stärke und Führungskompetenz vermisst. Das ist wie in der früheren Sowjetunion oder im früheren Jugoslawien: Keiner wollte die Machthaber wiederhaben, aber als sie weg waren, fiel alles auseinander. Die CSU zerbricht nun in Schwaben, Oberbayern und Franken.
Wieso nimmt ein Ehrenvorsitzender einer Partei wie Stoiber überhaupt an Krisensitzungen nach einem Wahldebakel teil?
Das war eigentlich nicht so geplant. Aber Fraktionschef Georg Schmid hat ihn eingeladen.
Beckstein sagt nun, sein größter Fehler sei mangelnde Distanz zu Stoiber gewesen. Huber erklärt die hohen Stimmverluste der CSU mit Stoibers Unentschlossenheit beim angekündigten Wechsel nach Berlin und dessen Reformpolitik.
Beckstein hat Recht: Er und Huber haben sich nicht deutlich genug von Stoibers Kurs distanziert, sondern etwa bis zuletzt am Transrapid-Fiasko mitgewirkt. Das hat natürlich damit zu tun, dass sie vorher in seinem Kabinett saßen und ihm nicht widersprochen haben. Die CSU-Spitze macht es nun aber richtig: Sie weist Stoibers Interpretation, wäre er geblieben, wäre das Wahldebakel nicht passiert, zurück. Mit Stoiber wäre das Ergebnis nicht ganz so dramatisch ausgefallen, aber die CSU wäre auch unter ihm abgestürzt.
Stoibers Wunschkandidat als CSU-Chef und Ministerpräsident ist Verbraucherschutzminister Horst Seehofer. Wieso?
Seehofer hat Stoiber mehr als einmal widersprochen. Zuletzt war er jedoch ein großer Stoiber-Freund. Stoiber hat ihm zugesichert, er werde sein Erbe. Seitdem hat Seehofer sich mit Kritik an ihm zurückgehalten.
Stoibers zweite Wahl für das Ministerpräsidenten-Amt soll Wissenschaftsminister Thomas Goppel sein.
Ausgerechnet Goppel! Er hat es nicht geschafft, oberbayerischer Bezirkschef zu werden und alle sagen, Stoibers Fürsprache sei daran schuld. Zum oberbayerischen Bezirksvorsitzenden wollte Stoiber ihn nur machen, damit Goppel aus dieser Position versuchen sollte, einen Gegenputsch gegen Beckstein einzuleiten und Ministerpräsident zu werden. Aber Goppel und Stoiber sind sich so grün auch wieder nicht. Stoiber hat Goppel seinerzeit als CSU-Generalsekretär total entmachtet und hat ihm einen Beamten als Aufpasser vor die Nase gesetzt.
Für Ihr Buch "Edmund Stoiber - Aufstieg und Fall" haben Sie diesen natürlich auch getroffen. Wie war ihr Eindruck?
Er wollte mit mir sprechen, nicht ich mit ihm. Ich hätte über ihn geschrieben, ohne mit ihm zu sprechen. Als ich ihn traf, wusste ich schon so viel, dass ich gemerkt habe, dass er mich nicht mit der Wahrheit bedient.
Edmund Stoiber wirkt nur noch im Hintergrund. Sein Sohn Dominic tritt in den Vordergrund. Am Sonntag gelang dem 28-Jährigen der Einzug in den Bezirkstag - nach Strauß und Goppel die nächste bayerische Dynastie?
Der Name Stoiber zieht natürlich. Vielleicht schafft Dominic es damit ja mal zum Landtagskandidaten. Erst mal muss er im Bezirkstag zeigen, ob er etwas kann. Dominic hat viel auf seinen Vater verzichten müssen. Dann soll er jetzt auch ein kleines politisches Karrierchen machen. Das gönne ich ihm.
INTERVIEW: TIMO HOFFMANN
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