Autonomes Fahren: Bus Maxl mag keinen Nebel
Im bayrischen Bad Birnbach fährt Deutschlands erster autonomer Bus. Richtig losgehen soll es mit dem Fahren ohne Fahrer im Frühjahr.
Der Maxl, wie ihn seine Fahrlehrer liebevoll nennen, ist nicht irgendein neuer Fahrschüler: Offiziell heißt er Ioki, und er ist der erste autonom fahrende Bus in Deutschland. Seit Ende Oktober ist Maxl im niederbayrischen Kurort Bad Birnbach im Linienverkehr unterwegs – und eine Attraktion für Kurgäste, Technikbegeisterte und die Einheimischen.
„Wo steht der denn?“ Maxls Fahrlehrerin ist sauer. Am rechten Straßenrand parkt ein Pkw, halb auf dem Gehweg, halb auf der Straße. Maxl tut in diesem Fall das, was er immer tut, wenn ein Hindernis auf seiner eingespeicherten Route auftaucht: Er hält an und wartet. Maxls Fahrlehrerin, Busfahrerin und Kurgastkommunikatorin in einer Person, hat nun zwei Optionen: manuell vorbeisteuern oder warten, bis das Hindernis verschwindet. Weil die Pkw-Besitzerin rasch auftaucht, wird an diesem sonnigen Dezembermorgen einfach gewartet, und dann geht die Fahrt weiter.
Sechs Fahrgäste, keine Heizung
Der Maxl ist ein Kleinbus vom Typ EZ10 der französischen Start-up-Firma EasyMile; weltweit wird der Bus an 60 Standorten in Asien, Nordamerika und Europa erprobt. Das Fahrzeug bietet genau sechs Fahrgästen einen Sitzplatz. Im Stehen mitfahren ist verboten, nur Maxls Fahrlehrer und -lehrerinnen dürfen das, der besseren Übersicht wegen. Das Auffälligste an diesem Kleinbus, der rein elektrisch betrieben wird, ist: Es gibt keinen Fahrersitz und kein Lenkrad, dafür lassen riesige Fenster einen schönen Rundumblick zu. Leider gibt es keine Heizung.
Für die Fahrgäste ist das aber selbst im Dezember kein Problem. Denn die Linie, die der Maxl kostenlos bedient, ist nur 660 Meter lang. Zwischen dem Startpunkt am Marktplatz und der Endstation im Kurgebiet gibt es genau eine Haltestelle, und zwar am Eingang des Kurparks. Verkehrlich hat der Bus, der für eine Geschwindigkeit von maximal 15 Kilometern pro Stunde zugelassen ist und bei freier Fahrt in der Regel auf acht bis neun Kilometer kommt, also kaum eine Bedeutung.
Wer beim Gehen nicht gerade eingeschränkt ist, kann die Strecke genauso gut laufen. Im kommenden Frühjahr sieht das schon anders aus: Dann soll ein zweiter autonomer Bus zum Einsatz kommen, und die Strecke wird bis zum etwa zwei Kilometer entfernten Bahnhof verlängert. Kurgästen und Touristen mit Gepäck wird der autonome Bus dann helfen, einen wichtigen Weg zurückzulegen.
Das Ziel: In Baden-Württemberg sollen Unternehmen, öffentliche Hand und Forschungseinrichtungen erproben, wie sich autonomes Fahren im Alltag macht. Können selbstfahrende Pkws den Parkplatzbedarf senken? Ist die Straßenreinigung als selbstfahrende Variante denkbar? Und was ist mit Zustelldiensten?
Der Plan: Mindestens fünf Jahre lang soll der Betrieb laufen. Das Baden-Württemberger Verkehrsministerium hat 2,5 Millionen Euro in das Projekt gesteckt. Anfang Dezember ist die Probephase gestartet, im Frühjahr soll der Betrieb richtig losgehen.
Die Infrastruktur: Selbstfahrende Autos brauchen nicht nur eine Straße. Sie benötigen Sensorik, Kameras, 3-D-Karten und einiges mehr, um sich von A nach B bewegen zu können – dafür wurden etwa Ampelanlagen aufgerüstet. Um möglichst realitätsnah testen zu können, sind unterschiedliche Straßentypen im Testfeld, unter anderem städtischer Raum, in dem sich auch Fußgänger und Radfahrer bewegen, Landstraßen und Autobahnabschnitte. (sve)
Bis dahin ist der Maxl dafür da, Erfahrungen zu sammeln, insbesondere für die Deutsche Bahn, die das Projekt betreibt. Eine Erfahrung ist beispielsweise: Der Maxl ist ziemlich wetterfühlig. Bei starkem Schneefall und bei dichtem Nebel mag er nicht fahren, weil seine Sensoren diese meteorologischen Erscheinungen als gefährliche Hindernisse einschätzen. Wegen der häufigen Morgennebel beginnt Maxls Dienstzeit deshalb auch nicht, wie ursprünglich geplant, um 8 Uhr morgens, sondern erst um 10. Dann aber dreht der Spätaufsteher gemütlich und zufrieden seine Runden; auch die früh einsetzende Dunkelheit macht ihm nichts aus.
Maxl beherrscht auch das schwierige Fahrmanöver „Auffahren auf eine Vorfahrtstraße“ souverän. Langsam rollt er an die Hauptstraße heran, blinkt, schaut sich um (ohne dass der Fahrgast das merkt) und fährt auf die Straße, sobald der Weg frei ist. Der Hauptstraßenverkehr wird auf diesem Straßenstück allerdings gebremst; ein Tempo-30-Schild, eine künstliche Bodenwelle und ein gelbes Schild mit schwarzer Schrift „Vorsicht! Autonomes Fahrzeug!“ sorgen dafür.
Auf virtuellen Schienen unterwegs
In vielen Situationen braucht Maxl aber noch die Hilfe seiner Fahrlehrer: etwa ein Okay, dass der Kleinbus nach dem Aus- und Einstieg der Fahrgäste bereit zur Abfahrt ist, oder nach einem Stopp wegen eines Hindernisses. Darüber hinaus ist die Route exakt vorgegeben, und ihre Einhaltung wird per Satellitenkommunikation überwacht. Der autonome Kleinbus fährt sozusagen auf virtuellen Schienen; nach einem manuellen Ausweichen muss er erst zurück in die Spur gebracht werden, bis er autonom weiterzuckeln kann.
Die Deutsche Bahn verspricht sich von dem Projekt den Weg in ein neues, automatisiertes Verkehrszeitalter. Gerade im ländlichen Raum mit geringer Bevölkerungsdichte könnten öffentliche Verkehrsangebote, die nach dem Auf-Anfrage-Prinzip funktionieren, eine Alternative zum eigenen Auto sein, hofft das Unternehmen. Unter der Marke Ioki werden dabei Angebote und Dienstleistungen für fahrerlose und fahrerbasierte Auf-Anfrage-Transporte zusammengefasst.
Und die Fahrgäste? Die stehen dem Maxl in Bad Birnbach aufgeschlossen gegenüber. Furcht haben sie keine, und dass der Kleinbus bislang nur langsam unterwegs ist, stört sie auch nicht. „Alles fängt klein an“, sagt einer. „Als die erste deutsche Bahnstrecke von Nürnberg nach Fürth eröffnet wurde, hätte auch keiner geglaubt, dass ein Zug schneller als 300 Kilometer pro Stunde fahren kann.“
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