piwik no script img

Autonome kommen in Manndeckung

■ Innensenator kündigt Polizei-Sonderkommission an / Bürgerschaft debattierte den 3. Oktober

Bremens Autonome dürfen sich gratulieren: Nach den Krawallen am 3.10. wird die linksextreme Szene durch eine Sonderkommission der Polizei geehrt. Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) hat gestern vor der Bürgerschaft angekündigt, daß die extra zum Nationalfeiertag gegründete Ermittlungsgruppe 13, die seit April Erkenntnisse über die Planungen zum 3.10. gesammelt hatte, bestehen bleibt.

Außerdem will der Innensenator seine Polizeitaktik ändern. Vergleichbaren Demonstrationen soll nicht mehr mit großen Polizeieinheiten, sondern mit kleinen Turnschuhtrupps begegnet werden. Am Nationalfeiertag seien nämlich die Straftaten weniger von großen Demonstrationszügen, sondern vielmehr von kleinen mobilen Aktionsgruppen ausgegangen. Das bestätigte gestern Innenstaatsrat Volker Hannemann, der in der Nacht zum 3.10. selbst mit KleingruppendemonstrantInnen geredet hatte.

Und schließlich hat der Innensenator einen detaillierten Bericht über die Funktion des Sielwallhauses im Vorfeld des 3.10. angefordert. Polizei, Verfassungsschutz und Stadtamt sollen sich zu den Behauptungen äußern, die Krawalle seien im Sielwallhaus geplant und vorbereitet worden. „Das will ich ganz genau belegt haben“, sagte van Nispen gestern vor der Bürgerschaft. Und es war klar, was dann folgen soll: „Schließlich geht es um eine städtische Liegenschaft.“

Der Innensenator versuche, sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen, indem er eine geschönte Bilanz verbreite, sagte CDU-Fraktionschef Peter Kudella in der Debatte. „Das erinnert mich an das Geiseldrama. Da war auch erst ,alles in Ordnung'.“ Der Hauptvorwurf der CDU neben Fehlern in der Polizeitaktik: Der Ampelsenat habe durch die späte Räumung des besetzten Hauses am Buntentorsteinweg und durch die Duldung der Besetzung am Weidedamm III ein Klima geschaffen, in dem die GewalttäterInnen „geradezu ermutigt“ worden seien. Da waren sich CDU und Hans-Otto Weidenbach von der DVU ziemlich einig: Hier die Polizei – überfordert und von der Politik alleingelassen –, da die Chaoten – prima ausgerüstet und per Zuschüsse an einige Projekte staatlich gefördert.

Das sah Klaus Wedemeier ganz anders: Der Bundesratspräsident wollte sich seine schöne Feier nicht im Nachhinein zerreden lassen: „Dei Veranstaltung war ein voller Erfolg.“ Die Linie der SPD: Bei der Betrachtung der Krawalle dürfe man nicht die autonomen Demo-OrganisatorInnen und die vielen demonstrierenden Jugendlichen in einen Topf werfen. Klaus Wedemeier: „Die kommen aus Elternhäusern, in denen wir selbst Verantwortung tragen.“ SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner zur CDU: „Gesellschaftspolitische Probleme können Sie nicht mit einem massiven Polizeieinsatz lösen.“

Das lag auch ganz auf der Linie der Grünen. Deren Fraktionssprecher Martin Thomas ging noch weiter: Man müsse sich fragen, ob das Demonstrationsverbot nicht das Klima verschärft habe. Es wäre gut gewesen, wenn es einen Raum für das kritische Spektrum gegeben hätte diesseits der gewaltbereiten DemonstrantInnen.

Die grüne Kritik am Demoverbot brachte gerade die FDP auf die Palme. In einer scharfen Abgrenzungsrede verteidigte Axel Adamietz die Politik seines Innensenators bis auf Punkt und Komma. Er kritisierte vor allem das Umfeld der DemonstrantInnen. Bis hin zum grünen Landesvorstand, der seine Teilnahme an der offiziellen Feier abgesagt hatte, und dem Leiter der Gesamtschule Mitte, Armin Stolle, hätten Menschen „das Gewaltpotential unterstützt. In einer Demokratie hätte ich von Lehrern etwas anderes erwartet.“

Jochen Grabler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen