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Autokrise trotz AbwackprämieNull-Diät bei Mercedes

Im Daimler-Werk werden heute weitere Sparmaßnahmen für die 13.000 Beschäftigten verkündet, von Entlassungen ist - noch - nicht die Rede. Betriebsrat spricht von "wirtschaftlichem Desaster"

Derzeit wenig gefragt: Sterne aus bremischer Produktion Bild: dpa

Am heutigen Donnerstag kommt hoher Besuch nach Bremen. Und das ist kein gutes Zeichen - eines, das mindestens zehn Jahre lang nicht mehr ausgesandt wurde. Günther Fleig, Personalvorstand des Autobauers Daimler, hat sich persönlich angesagt. Um auf zwei kurzfristig einberufenen Betriebsversammlungen den gut 13.000 Beschäftigten in Bremen all jene "Zumutungen" zu erklären, die von der Konzernspitze gefordert werden. So wie die vermutlich ausfallen, sagt der Betriebsrat, soll die Chefetage das lieber selbst verkünden.

Noch ist nichts entschieden. "Es sind weitere Einschnitte geplant", so eine Sprecherin des Gesamtbetriebsratschefs Erich Klemm - ohne konkrete Details zu nennen. "Die Verhandlungen laufen noch", sagt auch sein Bremer Kollege Jürgen Coors.

Im Gespräch ist eine Arbeitszeitverkürzung um fünf Stunden - ohne jeden Lohnausgleich, auch eine Verschiebung der für Mai geplanten Lohnerhöhung von 2,1 Prozent um ein halbes Jahr ist in der Debatte. Bislang hatte der Betriebsrat das stets abgelehnt. Zur Disposition stehen wohl auch übertarifliche Zahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Prämienzahlungen, Reisekosten und Weiterbildungen. "Die Einschnitte werden jeden treffen", sagt Coors, auch die von Millionengehältern verwöhnte Vorstandsetage soll einen Beitrag leisten. Selbst betriebsbedingte Kündigungen sind nicht mehr auszuschließen - momentan aber "nicht Bestandteil der Gespräche", wie Coors versichert. "Entlassungen stehen derzeit nicht an." Doch die Angst geht um im Bremer Werk. Vor wenigen Jahren noch hatte das hiesige Werk über 4.000 MitarbeiterInnen mehr als heute.

Sicher ist, dass die Kurzarbeit ausgeweitet wird, die entsprechende Vereinbarung wurde soeben verlängert, zunächst bis Mitte des Jahres. Insgesamt könnten es 18 Monate werden, vielleicht sogar 24. Dabei reiche Kurzarbeit allein nicht mehr aus, heißt es in internen Schreiben, weitere Maßnahmen seien notwendig. In der deutschen PKW-Fertigung von Mercedes arbeiten aktuell 50.000 der insgesamt 168.000 MitarbeiterInnen kurz, weitere 18.000 bei den Nutzfahrzeugen. Ihnen stehen zunächst rund zwei Drittel des regulären Nettogehaltes zu, der Konzern stockt das auf gut 90 Prozent auf. Auch in der Zulieferindustrie wird schon kurzgearbeitet, bei mitunter schlechteren finanziellen Bedingungen. Eine Arbeitszeitverkürzung käme Daimler deutlich billiger, ist aber für die Beschäftigten mit mehr Einbußen verbunden. Familien und Zulieferindustrie eingerechnet, sind von der Krise bei Daimler in Bremen weit über 100.000 Menschen betroffen, sagt Coors. "Das ist ein wirtschaftliches Desaster für Bremen und Niedersachsen."

Niemand im Bremer Werk arbeitet derzeit an fünf Tagen in der Woche, sagt Coors. Bereits im Januar, nach den verlängerten Weihnachtsferien, wurden 1.000 Beschäftigte auf "Kurzarbeit Null" gesetzt, 8.500 bekamen zunächst eine Drei- oder Vier-Tage-Woche. Jetzt fallen weitere Schichten aus, viele sind auf Nulldiät gesetzt worden, gerade in der Produktion der C-Klasse sowie der Sportwagen SL und SLK. Auch der kleine Geländewagen GLK und das E-Klasse Coupé läuft in Bremen vom Band.

Alles Autos, die nicht von der Abwrackprämie profitieren. Gestiegen sind die Auftragseingänge zuletzt nur in der A- und B- Klasse, zudem sind im Februar 28 Prozent mehr Smart verkauft worden als vor einem Jahr. Der Gewinn des Autoherstellers indes brach im Februar um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein, für das erste Quartal sind rote Zahlen zu erwarten.

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