Autokonzerne entdecken neue Mobilität: Carsharer geben Gas
Fast eine halbe Million Deutsche nutzen gewerbliche Angebote für ein Ab-und-zu-Auto – und es werden mehr. Die Branche fordert mehr Stellplätze.
BERLIN taz | Das Auto für ab und zu wird in Deutschland immer beliebter. Bei den Carsharing-Unternehmen waren im vergangenen Jahr rund 453.000 Kunden registriert; im Jahr zuvor waren es noch knapp 300.000. Diese Zahlen nannte der Bundesverband Carsharing bei der Vorstellung seiner Jahresbilanz am Dienstag in Berlin.
Hauptursache für das rasante Wachstum der Branche waren die neuen Anbieter auf dem Markt, deren Fahrzeuge nicht an festen Stationen zu finden sind, sondern die frei im öffentlichen Straßenraum abgestellt werden. Hinter den neuen Anbietern stehen große Autokonzerne wie Daimler, BMW oder Citroën, die mit ihren Carsharing-Angeboten junge Nutzer an ihre Marken führen.
Zulegen konnten aber nicht nur die neuen Anbieter, deren Kunden sich über Handy-Apps über den Standort verfügbarer Fahrzeuge informieren, sondern auch die klassischen stationsbasierten Carsharing-Unternehmen. Diese hatten im vergangenen Jahr rund 270.000 Kunden, ein Anstieg von knapp 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Da manche Autofahrer bei mehreren Carsharing-Unternehmen Kunde sind – sowohl klassischen als auch neuen –, lässt sich die Gesamtzahl der Ab-und-zu-Auto-Nutzer nicht exakt bestimmen. Im Vergleich zu den mehr als 43 Millionen zugelassenen Pkw in Deutschland und 53 Millionen Fahrerlaubnisbesitzern ist aber festzustellen, dass Carsharing immer noch ein Nischenphänomen ist – trotz der Zuwächse.
„Wir unterstützen Carsharing ausdrücklich“, sagte der Chef des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth. Ein Carsharing-Auto ersetze vier bis acht Pkw, die ausgetauscht oder von potenziellen Käufern nicht angeschafft würden. Dies sei umweltpolitisch sinnvoll, da insbesondere in den Städten der Flächenverbrauch durch Pkw ins Gewicht falle. Zudem sei der Autoverkehr für Lärm und den Ausstoß von Feinstaub, Stickoxiden und klimaschädlichem Kohlendioxid verantwortlich.
„Die Deutschen haben ein sehr irrationales Verhältnis zum Auto“, so Flasbarth. Umso erfreulicher sei, dass ein dezenter Wandel in der Luft liege, wie er sich auch im Zuspruch zu Carsharing-Angeboten zeige. Bei jungen Leuten nehme der Status-Charakter des Autos langsam ab.
Das Umweltbundesamt empfiehlt des Ausbau von verkehrsmittelübergreifenden Mobilstationen, an denen man schnell und unkompliziert zwischen Bahn, Bus, Fahrrad und Carsharing wechseln kann. „Da sich Carsharing vor allem in dicht besiedelten Stadtquartieren anbietet, brauchen wir hier ausreichend Stellplätze im öffentlichen Straßenraum“, so Flasbarth. Hierfür sei eine bundesgesetzlich Regelung erforderlich. Auch könne es steuerliche Entlastungen oder verbilligte Kredite für neue Carsharing-Anbieter im ländlichen Raum geben.
„Es gibt noch genug weiße Flecken beim Carsharing in Deutschland“, sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes, Willi Loose. Zwar liege Deutschland beim Carsharing weltweit an zweiter Stelle – „aber wir sind fünf bis sechs Mal hinter der Schweiz zurück.“ Wer Carsharing fördern wolle, müsse auch den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Wenn Carsharing konsequent unterstützt würde, könnte es bis zum Jahr 2020 zwei Millionen Nutzer geben. Dies würde die Städte in Deutschland um rund 500.000 Pkw-Stellplätze entlasten, die heute von gewerblich oder privat genutzten Pkw besetzt werden.
Elektroautos spielen beim klassischen Carsharing bislang kaum eine Rolle. Sie seien etwa drei Mal so teuer wie vergleichbare Fahrzeuge mit anderen Antrieben, so Loose. Der höhere Preis lasse sich kaum auf die Tarife umschlagen. „Die Kunden zahlen dafür nicht mehr.“
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