Autobombenanschlag in Somalia: Mehr als 70 Tote
Unter den Opfern einer Explosion in Mogadischu sind viele Studenten sowie zwei türkische Staatsbürger. Der Bürgermeister spricht von über 100 Verletzten.
Die Polizei geht sogar von noch mehr Toten aus. „Wir haben mittlerweile fast 100 Menschen, die bei diesem schrecklichen Attacke getötet wurden“, sagte Polizeioffizier Ahmed Bashane. Unter den Opfern waren nach Polizeiangaben zahlreiche Studenten sowie zwei türkische Brüder. Ein somalischer Abgeordneter sprach zudem von 17 getöteten Polizisten. Nach Angaben eines Polizeisprechers beschädigte die Explosion auch zwei Minibusse mit Schulkindern an Bord schwer.
Die Autobombe explodierte am Morgen an einer stark befahrenen Kreuzung im Südwesten von Mogadischu. In der Nähe liegen ein Kontrollpunkt der Sicherheitskräfte sowie ein Finanzamt. Der Polizist Ibrahim Mohamed sprach von einer „verheerenden“ Explosion.
Mogadischus Bürgermeister Omar Mohamud Mohamed sprach von rund 90 Verletzten. Eine Zahl der Todesopfer wollte er zunächst nicht nennen. Es sei aber klar, dass sie nicht niedrig sein werde, sagte Mohamed. Die meisten Opfer seien „unschuldige Studenten und andere Zivilisten“.
Völlig zerstörte und ausgebrannte Fahrzeuge am Tatort zeugten von der Wucht der Detonation. Zum Zeitpunkt des Anschlags im morgendlichen Berufsverkehr seien viele Menschen unterwegs gewesen, darunter Busse mit Schülern und Studenten, berichtete der Augenzeuge Muhibo Ahmed. In zerstörten Gebäuden am Ort des Anschlags und in Krankenhäusern suchen Menschen nach ihren Angehörigen – unter den Verletzten und den Toten.
Russland und EU sagen Unterstützung zu
Sowohl die Europäische Union (EU) wie auch Russland verurteilten den „barbarischen Anschlag“. Der blutige Angriff von Extremisten habe offenbar darauf abgezielt, die Lage in Somalia zu destabilisieren, erklärte das Außenministerium in Moskau. Russland werde die Regierung Somalias weiterhin bei ihren Bestrebungen um eine Aussöhnung des Landes und bei den Vorbereitungen von Wahlen unterstützten.
„Unsere Haltung ist klar“, betonte EU Ratspräsident Charles Michel über den Kurznachrichtendienst Twitter, „Europa wird Afrika im Kampf gegen den Terrorismus weiter unterstützen.“ Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Farmajo rief die Bevölkerung zum Zusammenhalt beim Kampf gegen „die Feind der Menschenwürde“ auf und erklärte: „Das einzige Ziel, das die Terroristen in unserem Land entwickelt haben, ist das wahllose Töten unschuldiger Menschen.“
Hauptverdächtig: die Al-Shabaab-Miliz
Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Er trägt die Handschrift der radikalislamischen Al-Shabaab-Miliz. Die Miliz war im August 2011 von Truppen der Afrikanischen Union (AU) aus Mogadischu vertrieben worden. Sie kontrolliert aber nach wie vor weite ländliche Gebiete des ostafrikanischen Landes und verübt auch immer wieder Anschläge in der Hauptstadt.
Erst vor zwei Wochen hatte ein Kommando der Al-Shabaab mitten in Mogadischu ein von vielen Politikern, Militärs und Diplomaten besuchtes Hotel angegriffen und sich stundenlange Gefechte mit den Sicherheitskräften geliefert. Neben den fünf Angreifern wurden fünf weitere Menschen getötet, darunter drei Zivilisten.
Al-Shabaab heißt übersetzt „die Jugend“. Tatsächlich soll die Miliz aus einer Jugendbewegung der Union islamischer Gerichte hervorgegangen sein, die 2006 kurzzeitig die Kontrolle über Teile Somalias übernommen hatte. Sie will eine strenge Auslegung des islamischen Scharia-Rechts durchsetzen und einen islamischen Staat am Horn von Afrika errichten.
Die Shabaab-Miliz soll über 5000 bis 9000 Kämpfer verfügen, ihr Anführer ist seit 2014 Ahmed Umar Dirieh alias „Abu Ubaida“. Seit 2012 ist sie offiziell mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbunden; eine kleine Minderheit schloss sich jvor kurzem der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) an.
13 Anschläge in vier Jahren
Einer AFP-Zählung zufolge gab es in Somalia seit 2015 insgesamt 13 größere Anschläge mit jeweils mehr als 20 Todesopfern, davon allein elf in Mogadischu. Sie wurden allesamt mit Autobomben verübt.
Der bislang blutigste Anschlag in der Geschichte des Lands wurde im Oktober 2017 verübt: Damals wurden 512 Menschen bei der Explosion eines mit Sprengstoff beladenen Lastwagens getötet, rund 300 weitere Menschen wurden verletzt. Bis heute bekannte sich niemand zu dem Anschlag, doch machen die Behörden ebenfalls die Al-Shabaab-Miliz verantwortlich.
Der Augenzeuge Abdurrahman Yusuf sagte, die Explosion vom Samstag erinnere ihn an den Anschlag von 2017. „Diese ereignete sich nur wenige Schritte davon entfernt, wo ich bin, und sie schlug mich zu Boden mit ihrer Wucht. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so eine Explosion gesehen“, sagte er.
Der Anschlag weckte Zweifel, ob das somalische Militär in der Lage sein wird, in den kommenden Monaten die Verantwortung für die Sicherheit im Land zu übernehmen. Bislang sind dort Streitkräfte der Afrikanischen Union im Einsatz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!