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Autobombe gegen Verfassungsschutz

■ Bei Detonation in Köln großer Gebäudeschaden / EDV–Anlage nicht zerstört / In Bekenner–Schreiben Freilassung von Günther Sonnenberg gefordert / Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen

Aus Köln Oliver Tolmein

Ein großer, mäßig tiefer Krater, zerborstene Metallgitterstäbe, ein lädierter roter VW–Transporter und acht olivgrün gekleidete Spurensicherer vom Bundeskriminalamt (BKA). Viel ist es nicht, was die dreißig Neugierigen vierzehn Stunden - gegen 3.40 Uhr fand die Detonation statt - nach dem Anschlag auf das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln von der Absperrung aus sehen können. An den Tatort heran kommen sie sowieso nicht - das Gebiet um die Innere Kanalstraße ist seit den frühen Morgenstunden von einer halben Hundertschaft Polizei weiträumig abgesperrt. „Wir werden wohl auch noch bis tief in die Nacht hier stehen“, teilt Einsatzgruppenleiter Dammers mit. Vorerst begnügen sich die Spekulanten, die zahlreich beschäftigten Glaser und ein Angestellter der Kölner Verkehrsbetriebe mit Spekulationen: Vielleicht hänge der Anschlag auch mit der in der gleichen Nacht ausgestrahlten Aust–Dokumentation über die „Baader– Meinhof–Terroristen“ zusammen. Auf jeden Fall zeige sich mal wieder: noch soviel Stacheldraht und Wachpersonal nütze nichts: „Da kann man doch gleich weniger Bundesgrenzschutz hinstellen“. Viel gefunden haben die BKA–Spezialisten bisher noch nicht: der sprengstoffbeladene rote Golf, der vor dem gut bewachten Verfassungsschutzamt ge parkt und vermutlich mit Fernzündung in die Luft gejagt wurde, ist durch die hohe Sprengkraft der Ladung völlig zerfetzt worden. Den Bekennerbrief der „Kämpfenden Einheit Tsoutsouvis“ fand Stunden nach Beginn der Spurensicherung ein Fünfjähriger in einem wenige hundert Meter vom Tatort entfernt gelegenen Park. In dem Schreiben des Kommandos, das sich seinen Namen nach einem 1985 in Griechenland von der Polizei Erschoßenen gegeben hat, wird die Freilassung des inhaftierten RAF–Mitglieds Günther Sonnenberg gefordert. Bei der Explosion wurde der Fahrer eines VW–Lieferwagens, der sich in der sonst nach Aussagen von Taxi–Fahrern nachts unbefahrenen Straße befand, leicht verletzt. Außerdem gingen dutzende Fensterscheiben im Umkreis von 1500 Meter zu Bruch. Die Fassade des vom Bundesgrenzschutz bewachten Gebäudes wurde erheblich beschädigt. Die EDV–Anlage allerdings soll nach Aussagen eines Sprechers der Bundesanwaltschaft, die die Ermittlungen an sich gezogen hat, nicht beschädigt worden sein: „Die können dort weiterarbeiten wie bisher“. Der Anschlag ist der dritte auf eine dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörde: zuletzt hatten Revolutionäre Zellen einen Anschlag auf das Bundesverwaltungsamt wegen des dort geführten Ausländerzentralregisters unternommen.

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