"Auto ohne Abgase" mit geringem Verbrauch: Umweltauto fährt mit Druckluft
Bisher denkt die Autoindustrie viel über Elektroantriebe nach. Der indische Konzern Tata will jetzt einen Wagen bauen, der mit komprimierter Luft fährt - und etwas Benzin.
Wenn man sich die Strategien der großen Automobilkonzerne für die Ökoautos der nächsten Jahre ansieht, lautet die Antwort auf alle Verbrauchs- und Klimaschutzprobleme vor allem "Elektroantrieb". Wenn nur endlich Batterien auf dem Markt sind, die genügend Kapazität für Langstreckenfahrten besitzen, ist die Logik, sind endlich echte Umweltmobile herstellbar. Das Problem: Die Technik lässt auf sich warten, vor 2010 werden so genannte "Plug-in-Hybriden", also Fahrzeuge mit kombiniertem Elektro- und Benzinantrieb, die sich für einen längeren emissionslosen Betrieb an der Steckdose aufladen lassen, nicht zu den Händlern kommen. Heiß diskutiert wird außerdem, ob man mit dem Elektroantrieb die CO2-Problematik nicht einfach verschiebt - schließlich wird der meiste Strom nach wie vor durch fossile Brennstoffe wie Kohle erzeugt.
Der indische Automobilkonzern Tata, erst kürzlich durch den Aufkauf mehrerer britischer Edelmarken ins Schlaglicht der westlichen Medien geraten, sieht eine andere Lösungsmöglichkeit: Er arbeitet zusammen mit der europäischen Erfinderfirma MDI an einem Fahrzeug, das einen kleinen Verbrennungsmotor mit einem Antrieb kombiniert, der auf komprimierte Luft setzt. Das "OneCat" genannte Fahrzeug wiegt gerade einmal 400 Kilogramm. Der Motor des Kleinwagens hat knapp 20 Kilowatt Leistung und soll durchaus flott unterwegs sein: 110 Kilometer pro Stunde sind maximal drin. Das Prinzip ist schnell erklärt: Ein vom Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing hergestellter Druckluftbehälter, den man vor der Fahrt befüllt, setzt einen Kolbenmotor in Bewegung. Mit einer Füllung mit 300 Bar soll man immerhin 100 Kilometer weit kommen. Als zusätzliche Komponente ist ein Verbrennungsmotor eingebaut, der sich mit Flüssigbrennstoffen wie Benzin befeuern lässt und ähnlich wie bei einem Plug-in-Hybriden dafür sorgt, dass das Fahrzeug nicht einfach stehen bleibt, wenn ein Antrieb versagt. Mit einer Luftfüllung und 30 Litern Sprit soll man so über 1200 Kilometer weit kommen. Macht insgesamt unter Optimalbedingungen einen Verbrauch von knapp 1,5 Litern pro 100 Kilometer - bei gleichzeitig sehr geringem CO2-Ausstoß. Hinzu kommt sehr kalte Luft, die praktischerweise auch noch zur Klimatisierung des Fahrzeugs eingesetzt werden kann.
Tata hat laut Branchenschätzungen bereits 30 Millionen Euro in die Entwicklung des Luftautos bei MDI gesteckt. Die Firma wurde vom ehemaligen Formel Eins-Ingenieur Guy Negre gegründet, der das Konzept erstmals vor 15 Jahren ausheckte. Zuletzt dachte er 2002 daran, in Mexico City, einer der verdrecktesten Städte der Welt, Taxis mit dem Druckluftantrieben auszustatten - ein Projekt, das bislang allerdings nicht umgesetzt wurde. Durch die Gelder von Tata war es ihm laut eigenen Angaben nun möglich, die Idee auszuentwickeln.
Das Konzept wird allerdings nicht von allen Marktbeobachtern als sinnvoll erachtet. So meinte etwa Larry Rinek, Analyst bei der Unternehmensberatung Frost & Sullivan gegenüber dem Technologiemagazin "Technology Review", komprimierte Luft enthalte nicht genügend Energie für ein echtes Gebrauchsfahrzeug. Deshalb sei die Technologie vor allem für City-Fahrten und Kurzstreckenpendler geeignet. Auch der Maschinenbauprofessor Doug Nelson vom Virginia Polytechnic Institute kritisiert, dass ein großer Teil der eingesetzten Energie verpuffe, weil die Luft erst einmal mit Hitze unter Druck gesetzt werden müsse.
Den Erfinder MDI ficht die Kritik nicht an: Das Konzept sei durchführbar und bereits erprobt. Der Optimismus führt so weit, dass Partnerfirma Tata bereits in diesem Jahr 6000 der Fahrzeuge auf indische Straßen holen wird, um sie im rauen Alltag zu erproben. Ein Verkaufsstart in westlichen Ländern ist 2009 oder 2010 geplant, die europäische Serienproduktion könnte bereits im September 2008 starten. Auch der Preis ist günstig: Ab 5000 Euro soll es losgehen - in Indien. Ein in Lizenz gebautes US-Modell wird unter 15.000 Dollar kosten, sagt Anbieter ZPM. Dessen Name ist Programm: Er steht für "Zero Pollution Car" - Auto ohne Abgase.
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