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■ QuerspalteAuthentisch: Neukölln-CD!

Auch Wilhelm Schmidt, den einstigen Chef des Neuköllner Heimatmuseums, hat das Blutbad im Spiegel nicht kaltgelassen. Ganz das „Lied der Deutschen – Schöneberger Fassung 1989“ im Sinn, hat Medienmensch Schmidt jetzt eine CD mit dem Titel „Achtung Aufnahme“ auf den Markt gebracht, die, das ist jetzt schon klar, zum „außergewöhnlichen Hörerlebnis“ wird. Doch Schmidt wäre nicht Schmidt, hätte er die Neukölln-CD nur mit den platten Gewaltgeräuschen angereichert. Nein, der Mann war geschickter: Denn die Dokumente aus dem Bezirk sind vordergründig voller liebenswürdiger Authentizität – auch für Blinde: Bäume im Sturmwind im Körnerpark, eine sich senkende Schranke am Bahnhof Britz, die Straßenpumpe am Richardplatz oder die Passierscheinausgabe im Jahr 1963. Doch dann kommt's, und zwar dicke: Straßenlärm und Alltagsgeräusche! Wer da genau hinhört, dem bleibt die Luft weg: Hilferufe verhungernder Kinder, prügelnde Eltern, zubeißende Pitbulls, Schießereien zwischen Türkengangs und Arabern und last but not least die ihre Sozialhilfe versaufenden Hermannplatz-Alkoholiker inmitten gröhlender Neonazis. Das alles hat Schmidt profimäßig als Hintergrundgeräusche unter die scheinbar liebenswürdige Neukölln-Kulisse gelegt. Und wenn ihm der Jungendschutz und andere nicht den Saft abdrehen, kann man die Neukölln-CD für 15 Mark als Weihnachtsgeschenk kaufen. Echt empfehlenswert! Rolf Lautenschläger

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