Auswärtsschwache Dortmunder: Sehr beliebte Gäste
Die ersatzgeschwächten Dortmunder leiten mit einer Roten Karte ihre Niederlage in Mainz selbst ein. Grundsätzliche Fragen werden nicht gestellt.
Vielleicht hat ihm der eigene Kapitän sogar als schlechtes Vorbild gedient. Mit einem unrühmlichen Abgang war Emre Can bei der nächsten ernüchternden Dienstreise von Borussia Dortmund insofern nicht allein, dass ihm später Serhou Guirassy folgte. So wie der Anführer Can mit einer törichten Roten Karte die Niederlage für die schwarz-gelbe Notbesetzung beim FSV Mainz 05 (1:3) einleitete, ließ Guirassy die Kollegen im Stich, als er am Ende direkt in die Kabine trabte. Das restliche Team bedankte sich derweil artig beim mitgereisten Anhang.
Erstaunlich, dass der Geduldsfaden der BVB-Fans hält. Bei Julian Brandt schien er gerissen. Im Kabinengang artikulierte er seinen Unmut. „Ich weiß nicht, wo das nächste Auswärtsspiel ist, aber es muss das Ziel sein, irgendwann diesen Bann zu brechen, weil ich keinen Bock darauf habe, aus irgendwelchen Städten ständig mit einer Niederlage im Gepäck nach Hause zu fahren. Das geht mir auf den Sack.“ Auch Nationalspieler Pascal Groß negierte nicht, dass die Diskrepanz viel zu groß ist: „Wir müssen diese Aufgaben schleunigst von der Mentalität her genauso angehen wie die Heimspiele. Jetzt gehen wir mit einem Scheißgefühl in die Länderspielpause.“
Ein mickriger Zähler aus fünf Bundesliga-Begegnungen in der Fremde sind eine fürchterliche Bilanz, dazu gesellte sich das Aus im DFB-Pokal beim VfL Wolfsburg. „Wir haben die Auswärtsspiele schon mit voller Kapelle und jetzt mit halber Kapelle nicht gezogen“, murrte der unzufriedene Brandt. Der 28-Jährige wirkte heilfroh, dass ihn Julian Nagelsmann nach einem Jahr Abstinenz nun mal wieder zur Nationalmannschaft berufen hat – das bietet ab Montag in Frankfurt ein bisschen Ablenkung.
Verkörperung von Mittelmaß
Sein in den spielerischen und personellen Mitteln arg limitierter Arbeitgeber verkörpert gerade nur Mittelmaß. Mit kollektiven Kraftakten wie in der Liga gegen RB Leipzig (2:1) und in der Königsklasse gegen Sturm Graz (1:0) können zu Hause noch die grundsätzlichen Defizite übertüncht werden.
Wenn allerdings einer ausschert wie Can bei seiner von Schiedsrichter Florian Badstübner (Nürnberg) sofort mit der Höchststrafe geahndeten Attacke gegen Jae-Sung Lee (27.), kommt alles in Rutschen. Trainer Nuri Sahin befand, das Spiel sei doch schnell erzählt: „Wir kriegen die Rote Karte und dann wird es extrem schwer. Das war ein Gamechanger. Die Jungs gehen auf der letzten Rille.“
Seine Kritik verpackte der 36-Jährige erst gar nicht in wohlfeile Worte: „Emre darf da nicht so hingehen, das weiß er auch. Das muss er anders lösen.“ Der 30-jährige Can erweist sich nicht zum ersten Male als Sicherheitsrisiko. Auch Brandt kritisierte klar: „Er hätte den Gegner einfach stellen sollen.“ Eines wollte er allerdings noch betont haben: „Emre hat nicht drei Gegentore kassiert.“ Gleichwohl sei die Dezimierung natürlich „ein Key-Punkt“ (Brandt) gewesen.
Der vom Can-Foul flott regenerierte Lee revanchierte sich mit seinem Kopfballtor zum 1:0 (36.). Obwohl der Südkoreaner bald darauf im Übereifer gegen Guirassy noch einen Elfmeter verursachte, den der Mittelstürmer in seiner besten Szene verwandelte (40.), gingen die Hausherren gleich wieder durch ihren vorbildlich schuftenden Kapitän Jonathan Burkardt in Führung (45.+3). Ein Dortmunder Aufbäumen blieb in Unterzahl aus: Paul Nebel besorgte für beschwingte Nullfünfer die Entscheidung (54.).
Erst danach erlöste Sahin den in die letzte Verteidigungslinie beorderten Felix Nmecha, der sich auf ungewohnter Position mehr schlecht als recht zurechtfand. Der Coach hatte sich nicht getraut, U23-Akteur Yanik Lührs als letzten verbliebenen Innenverteidiger sofort einzuwechseln. Waldemar Anton und Niklas Süle hätten ja nicht zur Verfügung gestanden, rechtfertigte sich Dortmunds Trainer, um den es aber derweil noch keine Debatten geben soll.
„Wir sind selbstkritisch genug, um zu sagen, dass dies an der einen oder anderen Stelle nicht unseren Ansprüchen genügt. Aber wir werden heute keine Grundsatzdiskussion dazu starten“, stellte Sportchef Sebastian Kehl klar. Man werde den Weg gemeinsam weitergehen und „versuchen, uns eine gute Ausgangsposition zu verschaffen, um im Januar noch einmal neu anzugreifen“. Anfang November liegt der Spitzenreiter FC Bayern bereits zehn Punkte entfernt. Und es sind erst zehn Spieltage absolviert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr