: Ausverkauf als Politik
■ Mit der PRIVATISIERUNG auf Du und Du
„Muß die Lufthansa in Staatsbesitz bleiben? Müssen Flughafengesellschaften in öffentlichem Eigentum sein? Müssen zahlreiche staatliche Wohnungsbauunternehmen gemeinnütziger Art bei Ministerien, Bundesbahn und Bundespost bleiben?“ Wer so suggestiv frägt, hat meist die passende Antwort bereit. Für den Bundesverband Deutscher Banken jedenfalls ist die Sache klar: Bei der Privatisierung öffentlicher Betriebe besteht weiterhin Handlungsbedarf.
Wenn schon sozialistische Länder wie die Sowjetunion oder China immer größeren Gefallen am Prinzip der Privatinitiative zeigen, dann darf eine nahezu lupenrein kapitalistisch organisierte Ökonomie wie die der Bundesrepublik nicht hinterherstehen. Auch die letzten Bestände der öffentlichen Wirtschaft sollen den Marktkräften überantwortet werden.Seit der konservativ-liberalen Wende ist ein Privatisierungsschub zu verzeichnen. Direkte Bundesbeteiligungen im Werte von 6,5 Mrd. Mark wurden seit 1984 verscherbelt, darunter die VEBA und die VW-Anteile. Insgesamt wurden zwischen 1983 und März 1988 in insgesamt 67Fällen die staatlichen Anteile entweder auf ein Minimum reduziert oder
ganz aufgegeben. Herr Stolten berg konnte auf diesem Wege seine chronisch leeren Kassen etwas auffüllen. Geschätzte 2,8 Mrd. Mark sind durch die Privatisierung vereinnahmt worden. Allerdings war dies nicht das entscheidende Motiv für den staatlichen Rückzug.
Um den Nachweis marktwirtschaftlicher Wirtschaftspolitik und die Eröffnung rentabler Verwertungssektoren für privates Kapital geht es. Auf den Verkauf unrentabler Staatsbetriebe wird man lange warten dürfen.Deshalb ist es auch nicht überraschend, daß die staatlichen Beteiligungen im lukrativen Kreditsektor für die Privatisierung geöffnet werden. Bereits im März diesen Jahres wurde die Deutsche Volkskreditbank AG, eine hundertprozentige Tochter der Bundesbahn, zu 24,9 Prozent an private Geldanleger veräußert. Vorbereitet wird gegenwärtig die vollständige Privatisierung der Deutschen Pfandbriefanstalt. Und herabgesetzt werden soll der Bundesanteil an der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank von 99 auf 51 Prozent. Der Ausverkauf schreitet voran. Allein ein nächster großer Börsenkrach dürfte den eingeschlagenen Weg verzögern.
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