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Austrocknung und RekultivierungsstauDie größte Kiesgrube Europas

Im brandenburgischen Mühlberg wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen den Abbau von Sand und Kies. Nicht nur dort gibt es Probleme damit.

500 Millionen Tonnen Kies, Sand, Naturstein und Quarzsand fördert die Branche jährlich (Symbolbild) Foto: imago/Westend 61

Berlin taz | Zehn Quadratkilometer, das ist in etwa die Fläche eines größeren Dorfs. Im brandenburgischen Städtchen Mühlberg soll in dieser Größenordnung Kies und Sand abgebaut werden. Seit 40 Jahren leben die Mühlberger nun schon mit und von dem Verkauf von Baustoffen nach Berlin oder Hamburg.

Doch der Widerstand wächst. Am Donnerstag reagiert der Brandenburger Landtag; die Abgeordneten wollen beschließen, die Genehmigungen der Bergwerksbetreiber künftig jährlich zu überprüfen, außerdem drohen Strafen, wenn die Betriebe stillgelegte Flächen nicht rekultivieren.

Für Sigrid Käseberg ist das zu wenig. Die Vorsitzende des Vereins „Für eine Heimat mit Zukunft“ hat vor allem Angst um das Grundwasser der Region. „Die Kiesgruben bei Mühlberg sind bis zu 40 Meter tief“, sagt sie, „darum gibt es einen Austausch mit dem Grundwasser“. Es werde verschmutzt – vor allem, wenn die benachbarte Elbe Hochwasser führe. „Künftig soll sogar in Polderflächen direkt am Fluss Kies gewonnen werden“, sagt Käseberg.

Die entsprechenden Flächen würden von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH schon zum Verkauf angeboten – und seien für den Hochwasserschutz dann nicht mehr geeignet, so Käseberg. Abgesehen davon seien tiefe Baggerseen grundwasserzehrend – das heißt, Brunnen, Teiche und Böden in der Region trocknen aus.

Auch die Grünen im Brandenburger Landtag sehen Handlungsbedarf in Mühlberg. Dort herrsche ein „Rekultivierungsstau“, der so schnell wie möglich abgebaut werden müsse, fordert die Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky. Man sei nicht gegen den Abbau von Kies und Sand generell, sagt Käseberg von der Bürgerinitiative, doch in Mühlberg werde zu viel und zu schnell gegraben. Inzwischen gilt Mühlberg als größte Kiesgrube Europas.

Bürgerinitiativen gibt es überall

Die Probleme – sinkende Grundwasserspiegel und Zielkonflikte mit anderen Arten der Bodennutzung, etwa der Landwirtschaft oder dem Naturschutz – finden sich aber nicht nur in der Riesengrube im Süden Brandenburgs. Zwar sagt der Bundesverband mineralische Rohstoffe (Miro), dass der Widerstand gegen den Tagebau von Kies und Sand überall dort am geringsten sei, wo schon Kiesgruben arbeiteten. Rund 1.600 Unternehmen zählt die Branche, 500 Millionen Tonnen Kies, Sand, Naturstein und Quarzsand fördern sie jährlich – je nach Konjunktur. Doch gibt es in der ganzen Republik Bürger­initiativen und Umweltgruppen, die sich gegen den Tagebau wehren, aber nur lokal arbeiten und überregional nicht sichtbar werden.

Die Kiesgrube gefährdet den Hochwasserschutz

Sigrid Käseberg

In Hannover etwa streiten Archäologen und Wirtschaftsförderer, weil das „Römerlager Wilkenburg“ in Niedersachsen einer Kiesgrube weichen soll. Die Römerfreunde wollen dort lieber weiter nach Münzen aus der Zeit um Christi Geburt suchen – das Baustoffunternehmen Holcim aber Baustoffe fördern.

Im hessischen Werschau fürchtet die Bürgerinitiative gegen die Erweiterung des Kieswerks um den Lebensraum seltener Tiere und Pflanzen. Der Zielkonflikt des Tagebaus mit dem Naturschutz bereitet auch dem Verband Miro Kopfzerbrechen. Es gebe eine Überplanung mit Schutzgebieten, immer weniger Flächen seien zur Rohstoffgewinnung nutzbar.

Das Öko-Institut hatte kürzlich in seinem Bericht „Deutschland 2049 – Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft“ gefordert, die Bundesrepublik müsse bis zur Mitte des Jahrhunderts mit knapp der Hälfte des heutigen Verbrauchs klarkommen. Beim Miro hält man das für realitätsfern: Höchstens 12 Prozent der Primärmenge ließe sich substituieren.

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